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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
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2Ö1

Pariser Brief

262

Bemerkenswert an der Versteigerung Say ist der
erneute Aufschwung der Preise für die Franzosen des
galanten Zeitalters, der Watteau, Pater, Lancret und
ihrer Genossen. Nachdem man diese Leute beinahe
hundert Jahre lang über die Achsel angesehen hat,
erfahren sie jetzt eine Wertschätzung, die man wohl
ruhig übertrieben nennen kann. Denn was soll ein
Rembrandt oder ein Valasquez wert sein, wenn man,
wie es bei dieser Versteigerung geschah, einen Lancret
mit mehr als 300000 Franken bezahlt? Dabei scheint
es sich nicht um einen fiktiven Verkauf zu handeln,
sondern die Sache liegt einfach so, daß die französischen
Maler der eleganten Parkgesellschaften seit einigen Jahren
in die Mode gekommen sind, und daß die amerikanischen
Milliardäre augenblicklich lieber ihre Millionen für
diese Franzosen hergeben als für Italiener, Spanier
oder Holländer. Das jetzt für 308000 Franken ver-
kaufte Bild ist in den letzten zwanzig Jahren dreimal
unter den Hammer gekommen und erzielte nachein-
ander 51000, 60000 und 112000 Franken. Man
ersieht daraus, daß die Preise regelmäßig steigen und
es sich nicht um ein spekulatives Höhertreiben der
Verkäufer handelt. In derselben Versteigerung brachte
ein Pater 95 000 und ein Kopf von Greuzeöo 000 Franken,
und ebenso hoch wurde ein Hubert Robert bezahlt.
Vor vierzig Jahren hätte man den nämlichen Greuze
für ein Butterbrot haben können. Das alles erläutert
nur wieder einmal die längt festgestellte Tatsache,
daß auch auf dem Gebiete der Kunst die Mode herrscht.
Der belgische Maler Wiertz sprach und schrieb vor
siebzig Jahren von Salvator Rosa, Velasquez und Murillo
als von Meistern vierten und fünften Ranges, und dabei
sprach er nicht nur seine eigne, sondern die Meinung
seiner ganzen Zeit aus, die auch vorher schon Goethe
ohne Zweifel teilte. So haben unsere Väter die galanten
französischen Maler verachtet, und jetzt sind sie wieder
an der Mode, zugleich wo einer ihrer Nachkommen,
Gaston La Touche, ganz in ihrer Art Triumphe feiert.
Und wahrscheinlich wird die Zeit kommen, wo man
an die erste Stelle stellt, was wir jetzt wie dereinst
Wiertz zur vierten und fünften Klasse rechnen.

Das allerneueste im Pariser Kunstausstellungswesen
soll ein »Salon der Könige« werden, das heißt, als
Aussteller sollen nur Mitglieder regierender Familien
zugelassen werden. Wie man weiß, gibt es ihrer ja
genug, die mit Stift und Pinsel umzugehen wissen
oder wenigstens umgehen. An ihrer Spitze dürfte
wohl der deutsche Kaiser stehen, obgleich Wilhelm II.
sich mit einer flüchtigen Skizze zu begnügen pflegt,
deren Ausführung er professionellen Malern überläßt.
Ein wirklich tüchtiger Maler, vermutlich der einzige,
der sich auf einer wirklichen Kunstausstellung sehen
lassen kann, ist der Bruder des gegenwärtigen Königs
von Schweden, Prinz Eugen, der in früheren Jahren
regelmäßig den Salon du Champ de Mars beschickte
und sich daselbst als sehr eigenartiger Landschafter
bewährte. Auch den verstorbenen König Carlos
von Portugal konnte man mitunter in den Pariser Aus-
stellungen antreffen, wenn auch nicht in den großen
Salons. Er pflegte zu den Versteigerungen der Wohl-
tätigkeitsbazare einige Aquarelle herzuschenken, die
freilich nicht viel anders aussahen als ähnliche Versuche

höherer Töchter, wenn auch die höfliche Pariser Kritik
ihnen wahre Meisterschaft zuzusprechen pflegte. Auch
seine Frau, die Königin Amelie, amüsiert sich mit dem
Farbenkasten, und dem gleichen Zeitvertreib huldigt
die Prinzessin Waldemar von Dänemark.

Überhaupt hat es von jeher fürstliche Personen
gegeben, die sich nicht mit dem Bestellen und Be-
zahlen von Kunstwerken begnügen wollten, sondern
nach eigner künstlerischer Produktion strebten, und
ganz besonders die weiblichen Angehörigen regierender
Familien haben oft und gern nach künstlerischen
Lorbeeren verlangt. Sehr oft freilich ließen sie dabei
ihren »Lehrern« so ziemlich alle Arbeit und begnügten
sich mit dem Hinmalen der Unterschrift, genau wie
sich der seinerzeit berühmte Frederic Humbert, der
Gatte der großen Therese mit der amerikanischen
Milliardenerbschaft, von Roybet ein Bild malen ließ,
das er dann Humbert unterzeichnete. So gibt es in
Versailles eine Marmorstatue der Jungfrau von Orleans,
als deren Urheberin die Tochter des Königs Ludwig
Philipp, die Prinzessin Marie von Orleans, genannt
wird. Der böse Bildhauer Preault aber, der vor
sechzig Jahren das Lästermaul der Pariser Künstler
war, wie es jetzt Degas ist, pflegte zu sagen, die
beste Arbeit des Bildhauers Pradier — des Urhebers
der Statue von Straßburg an der Place de la Concorde
und vieler anderer offizieller Denkmäler — sei die
Jeanne d'Arc der Prinzessin Marie von Orleans.

Als Lehrer der Kaiserin Eugenie fungierte der be-
kannte und sehr tüchtige Blumenmaler Eugen Petit,
an dem aber seine Schülerin recht wenig Freude er-
lebte, denn Petit war ein sehr urwüchsiger Bursche,
der sich am Stammtische Manets in der Nouvelle
Athenes viel wohler fühlte als auf dem Parkettboden
von Fonfainebleau. Eines Tages korrigierte er die kaiser-
liche Malerin mit solcher Grobheit, daß der Unterricht
aufhören mußte. Wie er im Cafe zu erzählen pflegte,
hatte er ihr gesagt: »Eine Blume ist leicht und duftig
wie ein Traum, was Sie aber da gemacht haben, ist
aus Blech!«. Die Königin Hortense, Stieftochter und
Schwägerin des ersten, Mutter der zweiten Kaisers,
malte und komponierte, das heißt, die Maler Isabey
und Gerard gaben ihr Talent für die Unterschrift der
Königin her, während der Musiker Dalvimare in ihrem
Namen komponierte. Dalvimare hat »Parlant pour
la Syrie« komponiert, welches als angebliche Arbeit
der Königin Hortense die Marseillaise verdrängte und
die bonapartistische Nationalhymne wurde. Prud'hon
gab der Kaiserin Marie Louise Unterricht, aber auch er
hatte zu klagen. Er sagte: »Ihre Majestät fürchtet,
sich die Finger schmutzig zu machen, und da muß
ich alles allein machen, während sie zuschaut oder
schläft.« Die Prinzessin Mathilde, eine Nichte Na-
poleons III., die auch noch unter der dritten Republik
eine Art schöngeistigen Hofes hielt, hatte mit Hilfe
des Malers Giraud sogar ein für das Museum des
Luxembourg angekauftes Bild gemalt, das aber jetzt
in irgend einem Speicher oder Keller verschwunden
ist. Wahrscheinlich wird es allen Werken fürstlicher
Künstler nicht viel besser ergehen, sobald man in ihrer
Heimat die Republik erklärt hat.

KARL EUGEN SCHMIDT.
 
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