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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Neues aus holländischen Museen und Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0171

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325

Neues aus holländischen

Museen und Sammlungen

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ganzen, hier zur leihweisen Ausstellung kommenden
Sammlung holländischer Gemälde erscheinen. Unter
den Porträtstücken ist das bedeutendste ein signiertes
Gemälde von Paulus Moreelse aus dem Jahre 1601 mit
den lebensgroßen Figuren einer vornehm gekleideten
Dame nebst ihren drei Kindern. Mit einem weiblichen
Halbfigurenbildnis ist Pieter van Anraadt vertreten
(nicht sehr angenehm in seinen kühlen, fast harten
Farben). Männliche Brustbilder finden wir von B.
v. d. Heist, Jan Lievens (Studienkopf bei künstlicher
Beleuchtung, ohne daß aber die Lichtquelle selbst
sichtbar ist), Samuel Mesdagh und A. Palamedesz
(die Zuschreibung an diesen letzten ist jedoch nicht
ganz sicher). Das Porträt einer Familie in indischer
Landschaft (130X190,5 cm) ist von /. Coeman (be-
zeichnet und 1665 datiert) und nicht von einem
Maler Leeman, wie irrtümlich in dem kurzen Ver-
zeichnis steht. (Ich verdanke diesen Hinweis Herrn
Dr. Hofstede de Groot, der das Bild schon früher in
Petersburg gesehen hatte und da die Signatur genau
untersuchen konnte.) J. Coeman war — wenn
v. Wurzbach recht hat — bisher nur aus einem Stich
des Goudaer Stechers Hendrik Bary nach dem Por-
trät des Generalgouverneurs von Niederl.-Ostindien,
Johan Maetsuyker bekannt. Besonders anziehend ist
dies demnach einzige noch nachweisbare Bild Coemans
freilich nicht; aber aus jenem Grunde doch des
Photographierens wert, zumal es hier sehr hoch hängt
und aus der Nähe nicht studiert werden kann.

Die Landschaft ist reich vertreten durch Bilder
von A. v. Borssutn (Mondlandschaft in der Art A. v.
d. Neers), Ouilliam (nicht Cornelis, wie im Ver-
zeichnis steht) Dubois, B. Gael, J. van Gqyen
(fein grünsilbertonige Flußlandschaft aus dem Jahre
1642), Salomon van Ruysdael (zugefrorener Fluß bei
Abendbeleuchtung) und C. van Zwieten (gebirgige
Landschaft mit Wasserfall). Dies Bild des nach 1671
in Leiden gestorbenen Malers, von dem außer zwei
nicht bezeichneten noch ein CVZ 1664 signiertes
im Leidener Museum zum Vergleich herangezogen
werden kann, übertrifft an Qualität jene so bedeutend,
daß es fast fraglich erscheint, ob es wirklich von
van Zwieten ist. Eine gewisse Verwandtschaft möchte
ich in dem Bilde mit badenden Männern am Fuße
einer hohen Felsenwand von Q. v. d. Eeckhout im Rijks-
museum in Amsterdam (Nr. 879) sehen, ohne aber eine
Identität der Maler der beiden Bilder annehmen zu
wollen.

Von den Genremalern sind vertreten Q. v. Brekelen-
kam, Bauern bei der Mahlzeit (voll bez. und 1655
datiert), A. Palamedesz mit einer musizierenden Ge-
sellschaft, Willem de Poorter mit einem hübschen
Bildchen in blauen und grauen Tönen, eine Dame
bei der Toilette darstellend.

Außerdem sind da drei Schlachtenbilder, je ein
Reitergefecht von /. van der Stoffe, Pieter de Molijn
und Salomon van Ruysdael; für den Letztgenannten
ein höchst merkwürdiger Vorwurf, den er aber ge-
schickt und nicht uninteressant behandelt (es ist be-
zeichnet und 1653 datiert). Es bleibt noch ein großes
Tierbild, Enten im Wasser, von Begeyn zu, erwähnen

und ein Bild aus der Schule Rembrandts, der zwölf-
jährige Jesus im Tempel, das in der dritten Auflage
des Rembrandtbuches (Klassiker der Kunst) auf S. 531
unter den zweifelhaften und falschen Gemälden abge-
bildet ist. Rembrandt selbst kommt als Maler wohl
unter keinen Umständen in Frage.

Über den Bestand des Leidener Städtischen Mu-
seums orientiert jetzt auch ein neuer, mit Abbildungen
versehener Katalog, der bei G. F. Theonville er-
schienen ist und Mr. Dr. J. C. Overvoorde zum Ver-
fasser hat.

Ein interessantes Bild von Gerrit Dou, eine sitzende
nackte junge Frau, die ihr Haar kämmt, wurde in
den letzten Tagen aus Florenz für 5000 fl. erworben.

Über die dem Mauritshuis im Haag von Herrn
Delaroff leihweise überlassenen Gemälde habe ich
schon früher berichtet, aber noch nicht über eine
Kollektion von sechzehn Gemälden, die dem Museum
von dem verstorbenen Frl. M. J. Singendonck im
Haag vermacht wurde. Es ist eine Reihe von Bild-
nissen von Meistern von dem Ende des 17. Jahr-
hunderts, Spätwerke von N. Maes sowie Arbeiten von
Schalcken, Netscher, Ph. v. Dijck, J. v. Haensbergen
und mehreren unbekannten Malern. Wenn wir im
allgemeinen auch nicht viel mehr für solche Porträts
aus der Verfallszeit der holländischen Kunst übrig
haben, so muß man — z. B. bei den vorliegenden
Bildern von Maes — die technische Routine und
Gediegenheit der Malerei doch anerkennen.

Das Museum Boymans in Rotterdam hat den guten
Beziehungen seines Direktors Schmidt-Degener eine
ganze Reihe von Schenkungen zu verdanken, von
denen ich einige im Sommer zu erwähnen schon Ge-
legenheit nahm. Seitdem sind noch hinzugekommen als
Geschenk von Herrn L. Nardus-Suresnes eine Weber-
werkstatt von Decker, ein Willem Kalf zugeschriebenes
großes Stilleben (von Herrn H. van Gelder-Brüssel), zwei
Kinder von den Brüdern Le Nain (von Herrn A. Schloß-
Paris), eine Terborch sehr nahestehende Kreidezeich-
nung eines stehenden jungen Menschen (von Herrn
Konzertmeister Louis Wolff - Rotterdam) und zwei
Buntstiftzeichnungen von L. Nardus.

Besondere Beachtung verdienen die drei erstge-
nannten Bilder. Das eine, das zwei blondhaarige
Schwestern in weißen Kleidern vor grauem Hinter-
grund, die eine rechts sitzend, die andere kleinere
links stehend und jener die Hand reichend, darstellt,
wird den Brüdern Le Nain zugeschrieben. Es ist
ein flott gemaltes und anmutiges Bildchen von feiner
Tonschönheit.

Das zweite ist ein 77X64 cm großes, auf Leinwand
gemaltes Stilleben; es besteht aus zwei Zitronen und
einer Apfelsine auf einer getriebenen Silberplatte, einer
chinesischen Vase, einem halbgefüllten Römer und
einem hohen Kelchglas, alles über einer dunkelrot-
braun gemusterten persischen Decke auf einer Tischecke
aufgebaut vor dunklem Hintergrund, und bildet eine
besonders erfreuliche Bereicherung der Stillebensamm-
lung des Museums Boymans. Allerdings wird man es
nicht als eine die spätere Kunst Willem Kalfs veran-
schaulichende Ergänzung zu dem im Museum bereit?
 
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