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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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359

Literatur

360

Alessandra Kostantinowa, Die EntwickelungdesMadonnen-
iypus bei Leonardo da Vinci. Straßburg, Heitz. (Zur
Kunstgeschichte des Auslandes, Heft 54.)
Viel Fleiß, viel Mühe, aber auch eine bei Anfängern
sich leicht zeigende Lust, all das angehäufte Wissen anzu-
bringen, der Mangel an Konzentration der Oedanken und
Beschränkung auf die Hauptfragen. Die Einleitung über
die Madonnentypen des Donatello, Luca della Robbia, Fra
Angelico und Fra Filippo Lippi hätte ausführlicher sein
können. Auf Seite 10 wird diese Entwickelung allzu kurz
zusammengefaßt. Von der idealistischen Auffassung Dona-
tellos, der sich naturalistische Durchbildung beimischt, zur
liebenswürdig feinen Madonna des Luca della Robbia, der
genrehaften Auffassung Desiderio da Settignanos und der
grob bürgerlichen Hausmutter Fra Filippo Lippis. Andrea
del Verrocchio arbeitet dann diesen Typus kräftiger durch
und sieht in exakt kleinlicher Durcharbeitung sein Ziel.
Von ihm geht Leonardo da Vinci aus. Nun folgen
seitenlange Auseinandersetzungen allgemeiner Art über
Leonardos künstlerische Bedeutung u. a., die besser unter-
blieben wären. Dann geht es zu Leonardos Madonnen-
auffassung über. Der Künstler ist der erste, der fein
psychologiert. Das Münchener Bild wird mit Recht aus-
geschlossen, Hinweise auf verlorene Stücke beigefügt. Die
beiden Verkündigungen im Louvre und in den Uffizien
folgen. Das erstere Stück konnte meiner Ansicht nach,
als ein Werk Lorenzo di Credis, ausbleiben. An dem
zweiten, sicher leonardesken Werk — Morellis Zu-
schreibung dieses noch rein quattrocentistischen, äußerst in-
timen Stückes an den leeren Ridolfo Ghirlandajo ist ganz
unglaublich — entwickelt die Autorin Leonardos Fort-
schritt von der fromm-kirchlichen zur freiweltlichen, von
der noch schulmäßigen zur künstlerischen Auffassung.
Auf der Madonna in der Felsengrotte des Louvre, von der
Autorin identifiziert mit dem 1481 bestellten Bild, ist
Maria nicht mehr die Mutter Gottes, sondern nur ein
Weib zart und mild in der äußeren Erscheinung, voll
seelischer Größe in den Zügen, verehrungswürdig allein
wegen des hohen Grades edelster Menschlichkeit. Die
Madonna Litta in Petersburg und die Anbetung der
Könige der Uffizien geben die weitere Entwickelung des
Typus. Die Madonna ist »eine idealisierte junge Mutter,
die lächelnd zuschaut, wie man ihr Kind beschenkt«. Ein
sicherer Beweis für die späte Entstehung ist freilich nicht
gegeben.

Schließlich folgen die Anna-selbdritt-Studien. Der Lon-
doner Karton erscheint besonders hervorragend wegen der
hohen Schönheit der Köpfe und dem feinen Lächeln —
»es huscht um die Lippen, zittert und leuchtet in den Augen,
verklärt und erwärmt das ganze Antlitz, in welchem sich
mit aller Deutlichkeit das selige Glück der ganzen Mutter
widerspiegelt.« Das Annabild des Louvre bedeutet den
Höhepunkt in Leonardos Madonnendarstellung, und zwar
nicht nur kompositioneil in der neuen, lebendigen und
klaren Gliederung, sondern auch durch Übertragung der
physiognomischen Feinheiten und individuellen Eigenarten
des Mona-Lisa-Typus auf die Mutter Gottes, die damit
dem Himmel gänzlich entrückt ist. Nach einer kurzen
Betrachtung von Raffaels Madonnenkunst, die ebenfalls
vom Geiste der edlen Menschlichkeit Leonardos inspiriert
ist, betont die Autorin noch einmal die Bedeutung Leo-
nardos in der Auffassung der Madonna, die bei ihm zum
erstenmal von der alten, kirchlichen Schablone, dem
religiösen Charakter zum rein-Menschlichen gelöst scheint.
Starkes Naturempfinden und physignomische Studien gaben
ihm die Mittel dazu. Freilich kurze Zeit nur wandelte
die Madonna auf Erden. Schon in Raffaels Sixtinischer
Madonna erscheint sie wieder als »verklärte Mutter in den

Wolken des Himmels, auf ihren Armen den Welterlöser«.
— Alles in allem eine liebevolle Studie, die freilich etwas
in die Breite geraten ist und nicht allzuviel neue Ge-
sichtspunkte bringt. Die Bedeutung Leonardos als Ma-
donnenbildner ist in bezug auf die physignomische Weiter-
bildung richtig erkannt. Er erscheint darin als der letzte
große Quattrocentist, der den Naturalismus und intime
Durchbildung auch auf das Seelische übertrug. Daß ihm
Italien und das Cinquecento darin nicht folgte, ist nicht
befremdlich. Gerade die seelische Vertiefung hat der
romanische Süden nicht verstanden. Es mutet wie etwas
Germanisches an, das da in dem großen Genius lebte.
Oder sollte das Höchste, das Vollkommenste sich überall
gleich groß und rein im Ewig-Menschlichen offenbaren?
Michelangelo, der Einsame, ihm auch darin verwandt, scheint
das zu erweisen. Nur daß es mit anderer Herbheit, der
individuellen Stimmung seines Temperamentes entsprechend,
aus ihm hervorbricht. Gerade in dieser Richtung hätte
das Thema der Entwickelung des Madonnentypus vertieft
werden können; auch wie weit der Geist der Zeit be-
stimmend auf die Formgebung gewirkt hat, wie gerade
bei Leonardo doch der Übergang zum Cinquecento offen-
bar wird. F. Knapp.

Archaeological Institute of America. Supplementary
papers of the American School of classical Studies in
Rome. Vol. II. New York, The Macmillan Company.
293 Seiten und 41 Abbildungen.

Die amerikanische Schule für klassische Studien in
Rom hat die in ihrer Mitte entstandenen Arbeiten in ihrem
Hauptorgan, dem American Journal of Archaeology, nicht
alle unterbringen können und daher diesen Supplementband
herausgegeben, zu dessen Kosten die Carnegie Institution
3000 $ beigetragen hat. Andere kleinere Arbeiten der
römischen Schule wurden außerdem im Rheinischen Mu-
seum, der Berliner Philologischen Wochenschrift und in
The Classical Review publiziert. In dieser Zeitschrift, der
Kunstchronik, die der Kunstarchäologie allein aus dem
antiken Gebiete und nicht der gesamten Altertumskunde
gewidmet ist, interessiert hauptsächlich der Aufsatz von
C. Densmore Curtis »Roman Monumental Arches«; der
weitere Inhalt des Bandes »Das Avancement der Offiziere
in der römischen Armee«, »Das Palimpsest von Ciceros de
republica« und »Inschriften von Rom und Zentralitalien«,
sind wertvolle und brauchbare Arbeiten, gehören aber in
die Gebiete der klassischen Philologie, Epigraphik usw.,
die uns hier nicht beschäftigen dürfen. — C. Densmore
Curtis' Aufsatz über die römischen Triumphbogen ist an
und für sich wertvoll durch die eingehende, vielfach mit
Abbildungen verknüpfte Beschreibung in chronologischer
Reihenfolge von 79 sogenannten Triumphbogen, die zum
größten Teile noch in situ sind; soweit sie nicht mehr
existieren, basiert Curtis' Beschreibung auf sicheren Quellen.
Curtis geht davon aus, daß der Ausdruck »Triumphbogen«
erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus auf-
taucht und daß die Funktion dieser Bauten nur darin be-
stand, Ornamente und Statuen zu tragen, wofür sie zu
Ende der Republik bestimmt wurden. Der Verresbogen
(71 v. Chr.) ist das einzige Beispiel eines statuentragenden
Bogens in der vorkaiserlichen Zeit, alle anderen waren
kleine und einfache Tor- oder Durchgangsbogen. Curtis
hat die Stadttore, soweit sie nicht Form und Dekoration
der Monumentalbogen haben, aus der Betrachtung aus-
geschieden. Das große Material, das der amerikanische
Gelehrte Professor Frothingham in »The Nation« 1907—1908
aus Oberitalien, Istrien, Dalmatien veröffentlicht hat, hat
Curtis nicht benützt, und in einer Anmerkung nur kann er
Frothinghams Theorie, daß die sogenannten Triumphbogen
 
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