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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0199

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38i

Neue Kunstwerke — Vermischtes

382

Seite Säulen daran standen. Auf San Gallos Zeichnung
sind die Reliefs, welche den Bogen schmücken, und der
Giebel phantastisch. Der schwere Bau des Obergeschosses,
zu welchem man nur durch eine Leiter steigen kann, zeigt,
daß der Bogen wohl mit einer Quadriga gekrönt war.

Was die Zeit und Bestimmung des Bogens betrifft,
so meinte der Vortragende die Bauzeit in das erste Jahr-
zehnt des 4. Jahrhunderts n. Chr. verlegen zu können und
vielleicht mit Konstantins Schlacht gegen Maxentius bei
Saxa Rubra in Beziehung setzen zu können. Fed. H.

NEUE KUNSTWERKE

X Ferdinand Hodlers Wandgemälde für das
neue Universitätsgebäude zu Jena ist jetzt vollendet
und wird, bevor es seinen endgültigen Platz erhält, in der
Berliner Sezession ausgestellt werden. Das Bild behandelt
den Aufbruch und Auszug der Jenenser Studenten zum
Freiheitskampfe von 1813.

X Reinhold Begas, der trotz seinen siebenundsiebzig
Jahren noch immer rüstig an der Arbeit ist, hat soeben
ein neues Werk vollendet, das an die liebenswürdigen
Schöpfungen seiner Frühzeit erinnert: die Figur eines
jugendlichen Mädchens, das an einem kleinen Postament
steht und mit ihrer rechten Hand in das herabfallende
weiche Haar greift. Einige ältere Arbeiten des Künstlers,
die bisher nur im Gipsmodell vorhanden waren, werden
jetzt in edlem Material ausgeführt; so die allen Besuchern
von Begas' Atelier seit langen Jahren wohlbekannte, un-
gemein reizvolle nackte Frauengestalt, die ihr Haar mit
einer Blume schmückt, während sie ihr Antlitz in einem
zwischen den Knien gehaltenen Spiegel betrachtet, und eine
Gruppe: Pan als Lehrer im Flötenspiel. Jenes Werk wird
zurzeit in Marmor, dieses in Cadiner Ton übertragen.

X Eine Fontane-Plakette in Bronze hat der Berliner
Bildhauer Max Wiese hergestellt. Der Dichter erscheint
hier ähnlich wie auf Wieses Neuruppiner Denkmal, als
rastender märkischer Wanderer auf einer Bank, den maleri-
schen Hintergrund bilden die Umrisse seiner Vaterstadt
Neuruppin und die Ufer des Sees, an dem sie gelegen ist.

VERMISCHTES

Die Kölner Madonna mit der Wickenblüte. Nach-
dem auf Anregung des Kölner Restaurators Fridt Herr
Direktor Poppelreuter starke Zweifel an der Echtheit des
Bildes geäußert hatte (vgl. seine Aufsätze in der »Zeit-
schrift für christliche Kunst«), haben nun die Herren Kustos
Dr. Braune von der Münchener Pinakothek und Professor
Dr. Karl Voll das Gemälde einer genauen Untersuchung
unterworfen. Braune wurde zu seiner Untersuchung durch
die Beobachtung veranlaßt, daß die im Germanischen Mu-
seum befindliche Madonna mit der Erbsenblüte von ihm
und einigen Kollegen mit Bestimmtheit für eine Fälschung
aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts erkannt worden ist.
Er nahm also dieses Bild und fuhr damit nach Köln, um
es mit der angezweifelten Kölner Madonna zu vergleichen.
Das Ergebnis ist für ihn ein non liquet. Er hat Beob-
achtungen gemacht, die für Fälschungen gewisser Partien
des Bildes sprechen, während er bei anderen Teilen sich
nicht entschließen kann, sie unbedingt für neu zu er-
klären. — Kurz darauf hat sich Herr Professor Voll nach
Köln begeben und eine mehrtägige Untersuchung des
Bildes vorgenommen. Sein Resultat lautet mit absoluter
Sicherheit: Die ganze Madonna mit der Wickenblüte ist
eine vollständige Fälschung aus dem Anfang des ig. Jahr-
hunderts. Voll geht sogar noch weiter und glaubt, daß
die Liste der Fälschungen altdeutscher, speziell altkölnischer
Bilder erst begonnen hat und noch weiteren Umfang an-

nehmen wird. — Die Direktion des Wallraf-Richartz-Mu-
seums hat, wie wir hören, die Absicht, die Frage, die
natürlich die kunstfreundlichen Kreise der Stadt Köln sehr
erregt, einem dazu berufenen kleinen Kongreß von Kunst-
kennern und Restauratoren zu unterbreiten. Wir sind be-
gierig auf das endliche Resultat der Untersuchungen.

X Die Fresken von Hans von Marees in der Zo-
ologischen Station zu Neapel sollen, wie es heißt, nach
Deutschland überführt werden.

X Die Frage, ob ein Porträt der dargestellten
Person ähnlich sein muß, bildet zur Zeit den Gegen-
stand eines Streit Verfahrens, das vor dem Berliner Land-
gericht I spielt. Der Maler Prof. Pick-Morino hatte das
Bildnis eines Berliner Großkaufmanns gemalt. Der Be-
steller verweigerte die Abnahme des Gemäldes wegen
mangelnder Ähnlichkeit, worauf der Maler ihn verklagte.
In der ersten, schließlich vertagten Verhandlung des Pro-
zesses hatte ein Zeuge darauf hingewiesen, daß auch be-
deutende Künstler und speziell Meister des Porträtfachs
wiederholt ausgesprochen hätten, daß es auf die absolute
Ähnlichkeit beim Bildnis nicht so sehr ankomme, und da-
bei auch Max Liebermann genannt. Inzwischen hat sich
nun einer der Anwälte der streitenden Parteien an Lieber-
mann mit der Bitte gewandt, seine Auffassung des Be-
griffes »Porträtähnlichkeit« schriftlich niederzulegen, worauf
ihm von dem Künstler folgendes Schreiben zuging: »In
Beantwortung Ihres Schreibens vom 17. März teile ich
Ihnen folgendes mit, was ich Sie autorisiere, an Gerichts-
stelle zu verlesen. Ähnlichkeit ist conditio sine qua non
jedes Porträts: darüber werden die Künstler aller Rich-
tungen einig sein. Nur darüber werden die Meinungen
auseinander gehen, worin die Ähnlichkeit besteht. Schon
Goethe bedauert die armen Porträtmaler, die es keinem
recht machen können, denn im Porträt soll sich die sub-
jektive Auffassung des Künstlers mit dem Bilde, das wir
uns von dem Dargestellten machen, decken, und es ist
klar, daß ein Landgerichtsdirektor — zumal einer, der
glaubt, daß irgendeine Richtung^ in der Kunst die Porträt-
ähnlichkeit ausschlösse — unter Ähnlichkeit eines Bildnisses
etwas anderes versteht als ein Künstler. Oft sehen wir die
höchstgestellten Persönlichkeiten von den unbedeutendsten
Malern dargestellt: ein Beweis nicht nur für die Talent-
losigkeit der Maler, sondern auch für den Ungeschmack
der Dargestellten. Die auf der »Nachtwache« Dargestellten
— das Meisterwerk Rembrandts ist ein Gruppenporträt
einer Schützengilde — erschienen den Amsterdamer Phi-
listern unähnlich, und infolgedessen bekam Rembrandt
keine Porträtaufträge mehr. Das Genie Rembrandts oder
Frans Hals' mußte der nüchternen Sachlichkeit eines van
der Heist weichen. Selbst Ingres, der größte Akademiker
des vorigen Jahrhunderts, sagte, daß in jedem guten Porträt
etwas von der Karikatur stecken müsse. Nicht die me-
chanische Richtigkeit der Photographie macht die künst-
lerische Ähnlichkeit aus, sondern das Erfassen der Per-
sönlichkeit in künstlerischer Form. Max Liebermann.«.

Gemäldediebstahl. Ein für Venedig unerhörter Ge-
mäldediebstahl ist in der Kirche Madonna del Orto ver-
übt worden. Es handelt sich um nichts weniger als um
einen der schönsten Giovanni Bellini der Frühzeit des
Meisters, jene Madonna mit dem singenden Kinde auf
dem Altar der ersten Kapelle links. — Infolge der Osterzeit
sind sämtliche Altargemälde verdeckt, jedoch durch Zurück-
ziehen des Vorhangs für die Fremden sichtbar. Noch am
Freitag den 2. April Nachmittag zeigte der Küster das
Bild einer Anzahl Fremden. Tags darauf bei ähnlichem An-
lasse blieb er starr vor Schrecken, als beim Zurückziehen
des Vorhangs der Rahmen leer war! — Man glaubt, daß
die von Kennern bezahlten Diebe sich in der Kirche ver-
 
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