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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Neue Kunstwerke — Vermischtes

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Beziehung, welche in einigen Monumenten mit Schlangen-
attributen abgebildet wird.

Dr. R. Delbrück besprach die Gewölbe der Toten
tempel aus der Nekropolis von Theben in Oberägypten.
Er sprach über die verschiedenen Formen von Schein-
gewölben, die man vor den richtigen, aus Keilsteinen ge-
bauten, findet. Die Gewölbe der Totentempel bei Theben
gehen bis in das siebente Jahrhundert zurück, und in
Assyrien gehen diese Gewölbe bis ins sechste Jahrhundert.
Aus dem klassischen Griechenland haben wir das einzige
Beispiel solcher Bauart in einer Notiz des Demokritos.
Die Römer brachten das richtige Gewölbe aus Keilsteinen
zur Vollendung und von ihren großen Wölbungen geben
uns noch jetzt das Pantheon, die alten Brücken und andere
Monumente das glänzendste Zeugnis. Fed. H.

NEUE KUNSTWERKE

Nach fünfjähriger Arbeit hat Professor Hugo Vogel
die Wandgemälde im Hamburger Rathaus vollendet,
und in diesen Tagen ist ihre feierliche Übergabe erfolgt.
Im Gegensatz zu den meisten großen dekorativen Arbeiten
unserer Zeit sind diese Wandgemälde wirklich al fresco
Stück vor Stück auf die frisch getünchte Wand gemalt.
Dieses anstrengende Verfahren wird heute meistens da-
durch umgangen, daß der Künstler im Atelier die Bilder
in der üblichen Weise auf Leinwand malt und diese dann
auf die Wand gespannt werden. Sogar Puvis' berühmte
Fresken im Pariser Pantheon sind trotz ihres blassen fresko-
artigen Farbencharakters nur solche falschen Wandmalereien.
Also verdient auch dieser technische Umstand, der natür-
lich für die künstlerische Wirkung von großer Bedeutung
ist, bei Vogels Arbeit Beachtung. Über die Werke selbst
wird ein illustrierter Bericht, den eins der nächsten Hefte
der »Zeitschrift für bildende Kunst« veröffentlichen wird,
genauere Kunde geben. Die Gemälde bedecken eine
Fläche von annähernd 500 qm.

Leipzigs schöne Promenade ist um einige angenehme
Denkmäler bereichert worden. Das einst von Adolf Fried-
rich Oeser, Goethes Zeichenlehrer, ausgeführte, dann aber
wieder abgetragene allegorische Gellertdenkmal ist durch
den Bildhauer Dr. Max Lange nach den alten Original-
entwürfen auferstanden; ferner sind um das städtische
Museum drei Bronzestatuen aufgestellt worden, und zwar
»Der Siegert des Leipzigers Matthieu Molitor, eine »Reifen-
werferin* von Reinh. Boeltzig und der bekannte, reizende
»Bocciaspieler« von August Kraus.

Wien. Ein neuer Monumentalbrunnen von ungewohn-
tem Interesse ist am 25. Mai im dritten Bezirk feierlich
enthüllt worden. Dieser Karl Borromäus-Brunnen, auf dem
gleichnamigen Platze, ist ein phantasievolles Werk Josef
Engelharts, der von der Malerei immer mehr zur Plastik
übergeht. Die Architektur (in Granit) ist von Josef Plecnik,
einem der Begabtesten aus Otto Wagners Kreis, also sehr
stilistisch in modernem Sinne, während der Figuralist (in
Bronze) Engelhart seinem Realismus mehr durch ein ur-
wüchsiges Temperament das persönliche Sondergepräge
gibt. Eine elliptische Umfassungsmauer enthält zwischen
zwei Rasensegmenten und zwölf jungen Pappeln, unter
denen zwei lang hingeschwungene Sitzbänke stehen, ein
kreisrundes Brunnenbecken, dessen zwei Ringmauern einen
schwarzroten Mosaikboden zwischen sich fassen. Aus dem
Becken erhebt sich ein ins Dreieck gegliedertes Gebilde,
dessen Kern ein gewaltiges Akanthuskapitäl mit drei
wasserspeienden Stillöwen bildet und sich in einem 8 Meter
erreichenden Obelisk zuspitzt. Diese Granitteile sind teils
geschliffen, teils matt. Um die Mitte her fügen sich drei
Brunnenschalen, deren reiches, stilisiertes Weinlaubgeranke
von 31 Tieren besonderer Art durchklettert und durch-

krochen ist. In diesen nach der Natur gebildeten Sala-
mandern,Tiefseefischen, Haien, Eidechsen, Kröten, Lurchen
ganz exotischer Form hat der leidenschaftliche Tierbeob-
achter Engelhart sein Meisterstück geliefert. Nicht minder
reizvoll sind aber, drei Gruppen von je fünf überlebens-
großen nackten »Kindln«, die unter den drei Brunnen-
schalen im kindlichen Spiel diese zu stützen scheinen.
Auch diese Putti sind nach der Natur, jedes ein anderes
Menschlein, gebildet und haben viel Humor im Leibe
(einer spielt den Napoleon mit gekreuzten Armen und
Stirnlocke), wirken aber auch im Licht und Schatten des
jeweiligen Sonnenstandes sehr mannigfaltig. Die Beziehung
auf den h. Karl Borromäus wird durch drei Gruppen aus-
gedrückt, die den berühmten Wohltäter mit Kranken und
Armen zeigen und zwischen den Brunnenschalen akroterien-
artig angebracht sind. Das ganze, so eigenartig erfundene
und brillant durchgeführte Werk steht himmelweit über all
der offiziellen und stammtischmäßigen Denkmal- und
Brunnenplastik, die in den letzten Jahren hier ans Licht
gestellt worden. Ludwig Hevesi.

VERMISCHTES

X Fritz von Uhde wird für die Aufführung von Ger-
hart Hauptmanns »Hannele« im Münchner Künstlertheater
unter Max Reinhardts Leitung den szenisch - dekorativen
Rahmen entwerfen. Die Eröffnung der diesjährigen Fest-
spiele in München wird »Hamlet« in künstlerischer Aus-
stattung von Fritz Erler bringen.

Also Holbeins »Herzogin Christine von Mailand«
braucht sich nicht in die Fährnisse einer Seereise zu stür-
zen — ihr Lösegeld im Betrage von 72000 englischen
Pfund ist kurz vor dem letzten Glockenschlag aufgebracht
worden. Allerdings über das Wie zerbricht man sich in
London die Köpfe. Die Kunsthandlung von Colnaghi
hatte, wie erinnerlich, verlangt, daß bis zum 1. Juli der
geforderte Betrag für die Überlassung an die National
Gallery zusammengebracht sei, widrigenfalls sie das Bild
anderweit verkaufe. 10000 £ stellte die Regierung zur
Verfügung, 5500 £ gab der National Art Collection Fund
und 15500 £ waren durch Sammlungen eingegangen,
fehlten also »bloß noch« 40 000 £. Diese bescheidene
Summe von 800 000 Mark traf plötzlich am Tage vor dem
Schluß der Subskription von einem Unbekannten ein,
dessen Inkognito absolut rätselhaft bleibt. Wir wollen
nicht verschweigen, daß es Leute gibt, die der Meinung
sind, die Kunsthandlung Colnaghi selbst sei ihre eigene
Wohltäterin geworden! Gleichviel, wir freuen uns, daß
dieses Juwel holbeinischer Kunst einer öffentlichen Samm-
lung Europas erhalten geblieben ist.

X Die Stadt Schöneberg ist eifrig bemüht, die Kunst-
gedanken der neueren Zeit in ihrem Verwaltungskreise zur
Geltung zu bringen. Seit einem Jahre haben Magistrat
und Stadtverordnetenversammlung eine eigene Kunst-
kommission eingesetzt, deren Amt es ist, an geeigneter
Stelle einzugreifen und den ästhetischen Forderungen der,
nach einer langen Zeit der Verwilderung neu zu Ehren
gekommenen Stadtkunst Gehör zu verschaffen; neben
einigen Mitgliedern der städtischen Körperschaften wurden
als Bürgerdeputierte in diese Kommission Geheimrat Prof.
R. Borrmann, der derzeitige Rektor der Technischen Hoch-
schule Berlin-Charlottenburg, Dr. Max Osborn und Walter
Leistikow gewählt, der noch kurz vor seinem Tode im ver-
gangenen Sommer den ersten Sitzungen beiwohnte und
an den Beratungen lebhaften Anteil nahm. Nunmehr
zeigen sich die ersten Früchte der Arbeit, die hier bisher
geleistet worden ist. Von dem Wettbewerb, der zur Aus-
schmückung eines öffentlichen Straßenzuges (des Barbarossa-
Platzes) ausgeschrieben worden ist, war schon kürzlich die
 
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