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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Kleine Mitteilungen
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162

Kleine Mitteilungen.

notwendige Geschmacksläuterung des Publi-
kums nicht zu bewirken ist, ja, daß der Um-
fang einer Vorbildersammlung thatsächlich
zu einem Hindernis für ihre praktische Ver-
wertung werden kann.

Kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Be-
trachtungen zurück, so finden wir mehrfach bestätigt,
daß diekunstgewerbliche Entwickelung keines-
wegs Schritt hält mit dem Anwachsen der
ösfentlichen Sammlungen, namentlich deren
Bersicherung mit kostspieligen Originalarbeiten, son-
dern daß dabei entscheidend ist, ob solche Samm-
lungen in lebendigem Wechselverkehr mit
der Kunstindustrie stehen oder nicht. Daß
jede größers Anstalt nicht ausschließlich dem prak-
tischen Bsdürfnisse der Gegenwart gewidmet sein darf,
sondern zugleich eine wissenschaftliche Aufgabe zu er-
füllen hat, ist selbstverständlich. Nur dars nicht das
Hauptgewicht auf diese letztere Seite der Thätigkeit
gelegt werden. Beide Thätigkeiten können nicht nur
Hand in Hand gehen, sie müssen das, wenn auf
dem einen und dem anderen Wege etwas Ersprießliches
erreicht werden soll. Wie die Studien des Kunst-
gelehrten den Jndustriellen unmittelbar fördern, so
bedarf jener bei denselben der Erfahrung des Prak-
tikers. Beids sshen die Arbeiten der Vergangenheit
oder die Erzeugnisse fremder Kulturen mit verschis-
denen Augen an, eben deshalb ergänzen sie sich gegen-
seitig; es ist ein Vorzug dsr Beschäftigung auf diesem
Gebiete, daß auf demselben die Mißverständnisse,
durch welche so häufig Wissenschaft und Kunst ein-
ander entfremdet werden, nicht fortkommen. Höchstens
stellt gelegentlich ein Zwischenhändler, dem es gleich-
giltig ist, woran er gewinnt, sich seindlich gegen Be-
strebungen, für welche nicht die wechselnde Mode als
alleiniger Gesetzgeber gilt.

Der Doppeleigenschaft der kunstgewerblichen Mu-
seen als Vorbildersammlung für Künstler und Jn-
dustrielle und als Rüstkammer für kunsthistorische
Studien genügt dasselbs System der Aufstellung nach
den Stosfen und innerhalb dieser natürlichen Gruppen
nach Zeit und Fabrikationszsntren, wodurch die Vor-
führung einerseits der Gestaltung des Hausrates im
weitesten Sinne unter dem Einflusse einzelner Stil-
perioden, andererseits der allmählichen Umbildung
gewisser Gebrauchsgsgenstände (beispielsweise der
Entwickelung der Kelchform, der Beleuchtungsobjekte,
der Körperzier u. dgl. m.) keineswegs ausgeschlossen
wird. Diesen Anforderungen kann nicht lediglich mit
Originalwerksn entsprochsn werden, das lehrt das
Beispisl einer mit so reichen Mitteln ausgestatteten
Anstalt, wie das Londoner Museum Wo für einen
Typus nicht mustsrgiltige alte Arbeitsn zur Ver-
fügung stehen, da müssen treue Nachbildungen aus-
helfen, die ihren Zweck auf jeden Fall besser erfüllen,
als — mit schwerem Gelde bezahlts — echte Sachen
von mittelmäßiger Qualität. Und wir beziehen dies
nicht nur auf Gegenstände, welche sich durch Ab-
formung vervielfältigen lassen. Dis schwunghaft be-
triebene Fälschung zeigt, daß überall höchst begabte
und gut eingeschulte Arbeiter vorhandsn sind, von
welchen die meisten gewiß gern ihr Können auch der

Welt, nicht bloß dem Antiquitätenhändler zeigen
würden, wenn sie dazu Gelegenheit erhielten; Möbel
aus der Zeit Heinrichs II., Ludwigs XIII., XIV.
und XV. werden in Frankreich so gut kopirt, als
man es nur wünschen kann, nicht um zu sälschen,
sondern um Liebhabern und insbesondere kleineren
Museen Bsispiele mustergiltiger Arbeiten zu lisfern.
So würde es für älters Zöglinge von Fachschulen
eine in verschiedenstem Sinns lohnende Aufgabe sein,
vorzügliche Originale mit aller Genauigkeit aufzu-
nehmen, und danach dis Gegenstände selbst anzu-
fertigen, durch welche Lücken in den Sammlungen
ausgefüllt werden könnten. Wenn eine gewisss Kate-
gorie von Liebhabern es beharrlich vorzieht, nicht
nur schlechte alte Stücke, sondern auch moderne Ar-
beiten, die künstlich „altgemacht" sind, unverhältnis-
mäßig zu bezahlen, anstatt dis letzteren unmittelbar
von dem Verfertiger zu ihrem wahren Werte zu er-
werben, so muß man ihnen ihr Vergnügen lassen;
öffentliche Sammlungen haben aber kein Jnteresse
daran die Händler zu bsreichern, die ja den Haupt-
vorteil von dem gegenseitigen Abjagen guter alter
Sachen, mitunter auch zweifelhafter, genießen. Früher
waren es die reichen Liebhaber, welche einander den
Besitz seltener Dinge nicht gönnten und darüber jeden
vsrnünftigen Schätzungsmaßstab verloren; neuerdings
zahlen indessen auch einzelne glänzend dotirte Museen
Liebhaberpreise; dadurch werden bei Antiquaren und
auf Versteigerungen Summen erzielt, welche ganz un-
erklärlich erscheinsn werden, sobald die unausbleibliche
Ernüchterung eingetretsn sein wird. Es braucht kaum
bemerkt zu werden, daß wir es zu dem übertriebenen
Aufwande nicht rechnsn, wenn z. B. der preußische
Staat die Verschleppung von Meisterwerken der deut-
schen Goldschmiedekunst, wis sie in dem Silberschatze
dsr Stadt Lüneburg vereinigt waren, verhütet, und
daß wir einem jeden Jnstitute so opferwillige Gönner
wünschen, wie sich deren die Museen in London, Paris,
Berlin und auch manche kleinere, erfreuen.

Da aber nicht alles für eine Musealsammlung
Wünschenswerte abgeformt oder nachgebildet werden
kann, so bildet die Bibliothek eines Museums die wei-
tere notwendige Ergänzung. Die Entwickelung der
auf der Photographie beruhenden graphischen Ver-
vielfältigungsarten setzt uns in den Stand, fast bis
zur Vollständigkeit die besten Arbeiten aller Zeiten
wenigstens im Bilde anzuschaffen und dem zu gelehr-
ten oder praktischen Zwecken Studirendsn einen uner-
schöpflichen Schatz zur Versügung zu stellsn. Er muß
aber auch wirklich zur Verfügung stehen, die Be-
nutzung dars so wenig als möglich erschwert werden,
und diese Bedingung sehen wir nicht überall erfüllt.
Niemand kann verlangen, daß Zeichnungen, Stiche,
Holzschnitte, die selten, oft unersetzlich sind und einen
unsntbehrlichsn Bestandteil eines Museums bilden,
jedermann in die Hand gegeben und der Gefahr der
Zerstörung ausgesetzt werden. Dem Zeichnsr, Kunst-
handwerksr u. s. w. leisten aber auch die durch Zink-
ätzung, Heliogravüre u. dgl. hergestellten Kopien genau
denselben Dienst wie die Originale, und solche, jeder-
zeit wieder zu beschaffende Lehrmittel haben, falls sie
durch vielsältige Benutzung nach und nach zu Grunde
 
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