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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Septemberheft
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Kinsky, Georg: Reiz und Wert des Autographensammelns
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0030

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der Naturkunde, war — wie schon erwähnt — auch ein sehl-
eifriger Autographensammler, und es bereitete ihm stets eine
große Freude, wenn er von Freundeshand ein Blatt mit der
Handschrift eines berühmten Namensträgers empfing, das zur
Bereicherung seiner Mappen beitrug. Und welche liebevolle Sorg-
falt er sogar auf die handwerkliche Arbeit des Ausbesserns
eines beschädigten Stückes verwandte, zeigen die hübschen
Verse, mit denen er die Rücksendung eines wiederhergestellten
Briefes Friedrichs des Großen begleitete:

„Das Blatt, wo seine Hand geruht,

die einst der Welt geboten,

ist herzustellen fromm und gut.

Heil ihm, dein großen Toten!“

Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand noch die
Möglichkeit zur Anlage von „universellen“ Sammlungen, die
eigenhändige Schriftstücke von Päpsten und Fürsten, Kardi-
nalen, Staatsmännern und Feldherren, von Forschern und Ge-
lehrten, Dichtern und Schriftstellern, Malern und Bildhauern,
Komponisten und Virtuosen, Sängern und Schauspielern und
von berühmten Frauen in sich vereint. Große Sammlernamen,
wie der des Franzosen Benjamin Fillon, des Westschweizers
Alfred Bovet, des österreichischen Grafen Ludwig Paar, des
Engländers Alfred Morrison und des Berliner Bankiers Alexan-
der Meyer-Cohn, tauchen hier auf. Alle diese bedeutenden
Sammlungen sind längst ihren Schicksalsweg gegangen und
durch öffentliche Versteigerung in Paris, London und Berlin auf-
gelöst worden. Derartige Universalsammlungen sind heute aus
naheliegenden Gründen auch mit Aufbietung sehr beträchtlicher
Geldmittel kaum noch zusammenzubringen — oder nur in Aus-
nahmefällen, wie es z. B. dem Basler Karl Geigy-ITagenbach in
40jährigem Bemühen geglückt ist, dem großen Schweizer Samm-
ler, dem die Sammlerwelt auch ein ausgezeichnetes Nach-
bildungswerk unter dem Titel „Album von Handschriften be-
rühmter Persönlichkeiten vom Mittelalter bis zur Neuzeit“ ver-
dankt.

Berechtigung und Erfolgsaussicht hat heute nur noch die
Spezialsammlung, die sich auf ein bestimmtes Sondergebiet, auf
einen zeitlich oder örtlich begrenzten Bezirk oder nur auf einen
berühmten Namen beschränkt — z. B. deutsche, preußische oder
rheinische Geschichte, Literatur der klassischen Zeit mit Goethe
als Mittelpunkt, 'Musik und Theater, Geschichte der Technik
oder der Naturwissenschaft usw. Als ein erlesenes Beispiel einer
derartigen klugen Bescheidung möge auf eine der schönsten pri-
vaten Sammlungen im deutschen Sprachgebiet hingewiesen wer-
den — wohl die schönste überhaupt, da sie dem eigentlichen
Ideal einer Autographensammlung entspricht. Ihr Besitzer ist der

rühmlichst bekannte Dichter und Schriftsteller Stefan Zweig in
Salzburg, dessen fünfzigsten Geburtstag die literarische Welt
im verflossenen Jahre begangen hat. Zweck und Ziel seiner
Sammlung ist nicht eine Anhäufung hunderter oder tausender
Schriftstücke bekannter Namen, sondern eine „Werkschriften-
Sammlung“, d. h. solcher Urschriften, „die den schöpfe-
rischen Geist im schöpferischen Zustande zeigen“, die also
nur Handschriften von und aus künstlerischen Werken
aufnimmt, wobei begreiflicherweise dem Entwurf der Vor-
zug vor der Reinschrift gebührt. „Soll eine Sammlung ein
Kunstwerk werden, so muß sie Maß haben und sich selber
ihr Ziel setzen“, ist Zweigs Richtschnur. „Sie muß mit
einer Einschränkung beginnen, um sich dank diesem Verzicht
vollenden zu können.“ — Einen Begriff von dem inneren Reich-
tum dieser Mustersammlung zu geben, ist in knappem Rahmen
unmöglich. Sie enthält Entwürfe und Zeichnungen von Leonardo
da Vinci und Michelangelo, eine astronomische Untersuchung
Keplers, das Bruchstück einer Abhandlung Kants, eine Rede
Robespierres, Napoleons Entwurf seiner Proklamation von Rivoli
und andere geschichtlich bedeutsame Schriftstücke bis zu einem
Aufsatz Mussolinis aus dem Beginn des Faschismus — dann
eine stattliche Reihe der Hauptnamen der deutschen Literatur:
von Angelus Silesius zu Klopstock, Goethe und Schiller, zu
Kleist, Hölderlin und Grabbc, von den Trägern der Romantik
bis zur Schwelle der Gegenwart, bis zu Spitteier, Wedekind und
Rilke. Auch aus dem fremden Schrifttum fehlt kaum ein Name
von Weltgeltung — von Tasso, Racine, Montesquieu, Rousseau
über Flaubert, Balzac, Müsset, Dostojewski, Tolstoi, Lord By-
ron, Carlyle, Dickens bis zu Gorki, Wilde, Shaw, d'Annunzio,
Maupassant, Anatole France, Maeterlinck, Claudel und Romain
Rolland. Eine weitere Gruppe ist eigenhändigen Tonwerken der
großen Meister der Musik gewidmet: von Scarlatti, Bach und
Händel bis zu Hugo Wolf, Mahler und Mussorgski.

Dem bescheidenen oder auch nur „mittleren“ Sammler werden
freilich derartige Kostbarkeiten unerschwinglich bleiben und nur
als letztes Ziel vorschweben. Aber auch ohne Jagos Wort, „tu
Geld in deinen Beutel“, d. li. mit verhältnismäßig knappen Mit-
teln läßt sich mit Geduld und Spürsinn und mit Ausnutzung
der vielfachen Gelegenheiten, wie sie Ankäufe bei den führenden
Autographenhandlungen in Berlin, Basel, Wien und Paris bie-
ten, im Laufe der Jahre eine gut gewählte I Iandschriftensamm-
lung Zusammentragen, und ihr Eigner darf dann jenes Behagen
empfinden, das Goethe in den zeitgemäßen Worten ausdrückt:
„Man ist glücklich, wenn man eine Liebhaberei hat, die ohne große
Kosten zu befriedigen ist und auf ein tiefes Studium hinweist.
In schlimmen Zeiten, sie mögen nun von außen oder von innen
kommen, findet man sich daran getröstet und gestärkt.“

Redaktionsschluß für das Oktoberheft 18. Oktober.---Redaktionsschluß für das Novemberheft 15. November.

Herausgeber und verantwortl. Leiter: Adolph Donath, Berlin-Schöneberg. / Verlag: „Der Kunstwanderer“, G. m. b. H., Berlin.
Redaktion: Berlin SW 68, Neuenburger Str. 8. — Druck: Buchdruckerei Gustav Ascher G. m. b. H., Berlin SW 68.
 
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