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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Septemberheft
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Hoffmann, Paul: Permoser in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0018

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Permoser in Berlin

Von

Paul Hoffmann

Am 20. Februar 1952 waren zweihundert Jahre ver-
flossen, seit einer der hervorragendsten Meister des
Barock in Dresden das Zeitliche segnete: der Bild-
hauer Balthasar Permoser, „gemeiniglich nur Bal-
thasar genannt“, wie einer seiner jüngeren Zeit-
genossen, der Kunstsammler und -förderer am säch-
sischen Hofe Karl Heinrich von Ideinecken, berichtet.
Daß Permoser, nachdem er vierzehn Jahre in Italien
gelernt und geschaffen hatte, nach Berlin kam und
in dem Jahrzehnt des ersten preußischen Königs mit
und neben andern Künstlern wirkte, die der prunk-
liebende Hohenzoller Friedrich I. beschäftigte, davon
legen seine in Berlin erhaltenen Werke Zeugnis ab.
Daß sich bisher in keinem der verschiedenen Archive
auch nur eine Bemerkung finden ließ über Permosers
Aufenthalt und seine Tätigkeit in Berlin, bleibt nicht
zuletzt auch deshalb bedauerlich, weil sich nicht er-
kennen läßt, ob Permoser in nähere Beziehung kam
zu Andreas Schlüter, und ob gegebenenfalls daraus
der Kunst ein Gewinn erwuchs. Wenn, infolge des
Fehlens einer urkundlichen Bestätigung, der Aufent-
halt in Berlin überhaupt geleugnet wird, so muß, dem
widersprechend, geltend gemacht werden, daß Beweise
mit überzeugendem Gehalt für die Behauptung, Per-
moser habe die aus Berlin erhaltenen Aufträge in
Dresden ausgeführt, nicht erbracht worden sind. Da
Permoser am 15. August 165 L1) zu Kammer in Bayern
als Sohn schlichter Landleute geboren war, kam er,
als er etwa 1704 in Berlin eintrab nicht mehr jung,
nicht als Werdender, sondern als fertiger Künstler
und als reifer Mann hierher. Das bringen auch seine
Werke in Berlin zum Ausdruck, so die Telamone
an der Lustgartenseite des Berliner Schlosses, falls
sie ihm wirklich zuzuschreiben sind, dann vor allem
das in seiner Gesamtgebärde so beredte, entzückende
Knäblein, der schlangentötende Herakles im Char-
lottenburger Schloß und auch das Porträt-Relief des
Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen in der
Deutschen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums.
Alles übrige, was sonst von seinen Schöpfungen in
Berlin vorhanden war, ist, wie vieles von seinem
Dresdener Plastiken auch, der Zeit zum Opfer ge-
fallen. Noch aber dürfte eine Arbeit Permosers in
Berlin erhalten sein, eine Elfenbeinschnitzerei, die,
da sie nicht gebührend geschätzt wurde, einem un-
genannten Kunstkenner Veranlassung bot, das Ge-
dächtnis des Meisters zu erneuern. Diese kleine Ab-
handlung ist, soweit ich sehe, in der Literatur über
Permoser vergessen; sie soll im folgenden wieder-
gegeben werden, damit sie noch einmal das Andenken
unseres Künstlers mehre.

ü Einige biographische Daten werden hier wiedergegeben, weil
sie die Angaben in der folgenden „Kunst-Nachricht“ richtigstellen.

Am 20. Juni 1815, am ersten Sonntage nach dem
Feste der heiligen Dreieinigkeit, feierte die Sophien-
kirche in Berlin ihr „hundertjähriges Jubiläum", ln
dem Bericht, den die „Berlinische Zeitung“ sowohl als
die „Berlinischen Nachrichten“, d. h. die „Vossisehe“
und die „Spenersche“ Zeitung, über die Feier ver-
öffentlichten, wird mitgeteilt, daß im Nachmittags-
gottesdienst der „Bildhauer Gast ein vortreffliches
Krucifix (von Balthasar aus Elfenbein)“ der Kirche
zum Geschenk gemacht habe, das der zweite Prediger
Agricola, in Gegenwart der beiden Pröpste Ribbeck
und Planstein, dankbar entgegengenommen und auf
den Altar gesetzt habe, „dessen heilige Zierde es
künftig sein soll“.

Da der Name „Balthasar“ nur ganz nebenher in
Parenthese genannt worden war, fühlte sich, wie
schon erwähnt, ein Kunstkenner verpflichtet, den Un-
kundigen zu sagen, was es mit diesem „Balthasar“ auf
sich habe. Am Sonnabend, dem 26. Juni 1815, erschien
in Nr. 76 der „Spenerschen Zeitung“ folgende
„Kunst-Nachriclit.

Balthasar Permosers, gewöhnlich nach seinem Tauf-
namen bloß Balthasar genannt, war zu Cammern in
Baiern 1650 geboren, widmete sich früh der Bildhauer-
kunst, und bildete sich in Italien, wo er viele Jahre
besonders in Florenz arbeitete, noch mehr aus. Endlich
kehrte er nach Deutschland zurück, besuchte Wien,
Dresden, auch 1704 Berlin, und hinterließ überall Pro-
ben von seiner Kunst. Für König Friedrich I. verfertigte
er hier einen Cupido, der den Pfeil schleift, und einen
kleinen Herkules aus Marmor, die beide, ehemals wenig-
stens, in Charlottenburg standen. Seine größte Stärke
hatte er in solchen kleinen Statuen und Basreliefs, die
er mit dem mühsamsten Fleiß aus Elfenbein und Mar-
mor arbeitete. Sie sind aber nicht häufig, weil der
wackere Künstler sich selbst selten Genüge that, und
deshalb, und aus Unwillen über manche vorlaute Kri-
tiker, viele seiner auch sehr guten Sachen wieder ver-
nichtete. Um so bedeutender ist, nicht nur des Kunst-
werths, sondern auch der Seltenheit nach, das Geschenk,
welches die Sophienkirche mit einem Balthasarschen
Krucifix erhalten, wenn es, wie nicht zu zweifeln, ein
echter Balthasar ist. Der Künstler starb 1752.“

Das Versteckspiel in dem letzten Satze: „wenn es
ein echter Balthasar“ und „wie nicht zu zweifeln“
ist, legt es nahe, den Verfasser dieser „Kunst-Nach-
richt“ in jenem Bildhauer Gast zu vermuten, der das
Kruzifix der Kirche geschenkt hatte und sehr genau
über den Ursprung des Werkes Bescheid wußte. Ohne
Frage wollte er den hohen Wert seiner Gabe der
Sophiengemeinde zu Gemüte führen. Um sich selbst
nichts zu vergeben, verschwieg er nicht nur seinen
Namen, sondern lenkte auch die Frage nach dem Ver-
fasser durch diese Verschleierung möglichst weit von
seiner Person ab.

Permoser brachte sein Selbstporträt am Fuße einer
Eccehomo-Statue an; aber auch in Berlin kann man
 
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