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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Septemberheft
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Verres, Rudolf: Zwei Wachsarbeiten des älteren Dubut im Nachlaß James Simons
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0013

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Zwei Wachsarbeiten des älteren Dubut
im Nachlaß James Simons

Von

Rudolf Verres

Es ist bekannt, daß zu den vielseitigen Interessen
des vor einigen Monaten heimgegangenen Dr. h. c. Ja-
mes Simon auch die Wachsbildnerei gehört hat. Seine
erste, noch mehr aber seine zweite Schenkung an das
Berliner Museum legen davon Zeugnis ab. Der Nach-
laß, der zu Beginn des kommenden Winters in Berlin
(durch Rudolph Lepke) zur Versteigerung gelangen
soll, enthält wiederum eine Anzahl Wachsarbeiten, von
denen die beiden hier in erster Linie zu besprechenden
ein besonderes Interesse künstlerisch und “wissen-
schaftlich beanspruchen können; sie waren bisher
noch nicht bestimmt worden.

Die zwei als Gegenstücke gearbeiteten unbezeieh-
neten Porträtmedaillons (Abb. 1 und 2; Durchm. 17,5
und 18 cm) sind in weißem, aber opakem Wachs in
Halbrelief auf schwarzen runden Schieferplatten ge-
arbeitet. Sie zeigen die Brustbilder des Königs Lud-
wig XIV. von Frankreich und seines Sohnes Ludwig,
der vier Jahre vor dem Vater plötzlich starb; über das
Ende des fünfzigjährigen Dauphin sind wir bekannt-
lich genauer unterrichtet durch den Brief, den Lise-
lotte von der Pfalz unter dem frischen Eindruck des
Ereignisses am 16. April 1711 geschrieben hat.

Vater und Sohn sind in den Profilbildnissen einander
zugekehrt. Um die Ränder der Platten laufen Inschrif-
ten, die zwar aufgemalt sind, aber den medaillenarti-
gen Charakter des Ganzen verstärken helfen. Die stark
verblichenen und zum Teil unleserlich gewordenen
Majuskelinschriften lauten: LVDOVICVS MAGiNVS
REX CHRISTIANISSIMVS bzw. LVDOVICVS DEL-
PHIN VS LVDOVIGI (?) MAGNI FIL1VS. Beide Dar-
gestellten tragen Allongeperücke und Prunkharnisch.
Der Schulterschutz des Königs ist geschmückt mit der
reliefierten Gruppe eines Reiters im Zeitkostüm, der
über zwei am Boden liegende Krieger in römischer
Rüstung dahinsprengt. Der Schulterschutz des Dau-
phin zeigt einen Delphin. Die beiden Medaillons be-
zeugen ein außergewöhnlich tüchtiges Können des
Bossierers. Zwar beobachtet man eine große Virtuosi-
tät in der sorgsamen stofflichen Durchbildung des
Haares, der Spitzenjabots, der Rüstungen, aber die
Einzelheiten heben dennoch den monumentalen Ge-
samteindruck nicht auf. Die Ausgeprägtheit des Stiles
ist so, daß man an einen Künstler in reiferen Jahren
denken könnte. In Wirklichkeit muß der Verfertiger
der Medaillons noch ziemlich jung gewesen sein. Als
ihr Schöpfer darf Charles Claude Dubut angesprochen
werden, geb. gegen 1687 in Paris, gest. 1742 in Mün-
chen, bekannt durch seine Tätigkeit als Hofbildhauer

des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern1). Das
Deutsche Museum in Berlin besitzt ein ovales Porträt-
medaillon Max Ernanuels (Abb. 5) in farbigem Wachs
mit der Signatur C- DVBVT -F aus dem Jahre 1725,
denn die Umschrift gibt als Alter des Dargestellten
65 Jahre an2). In diesem Wachsrelief haben wir ein
Werk des reifen, 58jährigen Dubut vor uns; es ist
eines der hervorragendsten Erzeugnisse der Porträt-
reliefkunst im 18. Jahrhundert überhaupt.

Die Zuweisung der beiden Simonschen Medaillons
an Dubut wird nicht nur durch die ähnlichen Har-
nische und die verwandte Reliefgruppe an der Schul-
ter des Kurfürsten und der Ludwigs XIV. erwiesen,
sondern auch durch die großartige Auffassung und die
sublime Technik. Im Detail ist die Durchbildung der
Haarlocken identisch; man beachte auch, wie der
Künstler einzelne Locken unterhalb des Nackens auf-
setzt, um die Gleichförmigkeit der rückwärtigen Profil-
linie zu unterbrechen und plastisch zum Reliefgrund
überzuleiten. Bei alledem bleibt ein ziemlich bedeuten-
der zeitlicher Abstand zwischen dem Medaillonpaar
und dem Kurfürstenrelief deutlich. Das Porträt des
Deutschen Museums ist im ganzen flacher, im Relief
verfeinert. Der Oberkörper ist mehr nach vorn gedreht
und ermöglicht so eine geringere Betonung des Plasti-
schen, die der Herausarbeitung des Kopfes zugute
kommt. Die stärkere Pointierung der Gesichtszüge
Max Emanuels offenbart in vollendeter Form das Stil-
wollen des 18. Jahrhunderts. Die Manteldraperie ist
rings um den Oberkörper herumgeführt.

Für die beiden Medaillons der Sammlung Simon er-
gibt sich durch den Tod des Dauphin als wahrschein-
liche zeitliche Grenze das Frühjahr 1711. Man weiß,
daß der Künstler auch am Berliner Hof tätig gewesen
ist. Für den Zeitpunkt seines Aufenthaltes hier gibt es
einen Fingerzeig, den man bisher nicht verwertet hat:
am 24. Dezember 1711 wurde in Berlin sein Sohn ge-
boren, der den offensichtlich brandenburgisch-hohen-
zollernschen Namen Friedrich Wilhelm erhielt; dieser
Sohn hat sich bekanntlich später als Künstler selbst
einen Namen gemacht. Setzen wir die Entstehung der
Simonschen Wachsreliefs mit ungefähr 1710 an, so Lat
der ältere Dubut sie im Alter von etwa 25 Jahren ge-
schaffen.

0 Yergl. M. HauUmann in Thieme-Beckers Künstlerlexikon X..
1914, S. 18.

2) Halbrelief. H. 17,8, Br. 14,8 cm. Ursprünglich eine Erwer-
bung des Berliner Münzkabinetts im Jahre 1907, gelangte es 1922
durch Tausch in das Deutsche Museum; Kat. Bildwerke des
Deutschen Museums II, 1923, Nr. 8303, Taf. 44. Ein geringeres
Exemplar im Bayer. Nat.-Mus. München (Kat. Denkmale des
Hauses Wittelsbach, 1909, Nr. 662, mit Textabb.).
 
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