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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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November-Dezemberheft
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Schulz, Fritz Traugott: Der Hausierhandel mit Nichtkunst: eine schwere Schädigung der Deutschen Künstlerschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0070

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Der Hausierhandel mit Nichtkunst

Eine schwere Schädigung der Deutschen Künstlerschaft

Von

Fritz Traugott Schulz -Nürnberg

Wie jeder Stand, so leidet heute auch derjenige der
Künstler wirtschaftliche Not. Wie sollte es auch anders
sein, neigt man doch in einer Zeit, in welcher materielle
Interessen im Vordergrund stehen, allzu leicht dazu,
Kunst als Luxus, als nicht unbedingt lebensnotwendig
zu betrachten! Und doch hat man der Kunst seit Jahr-
hunderten Heim- und Sammelstätten errichtet, hat
man Kunstschulen und Akademien geschaffen und
veranstaltet man seit Jahrzehnten fast in allen größe-
ren Städten Ausstellungen alter und neuer Kunst!
Viele Orte verdanken ihren Ruhm und ihren Fremden-
verkehr allein der Tatsache, daß sie wertvolle Schöp-
fungen der Kunst ihr Eigen nennen. Mit anderen
Worten: Der Künstler, gleichviel, ob heute oder in
alter Zeit, ist ein wichtiger Faktor im öffentlichen
T,eben. Seine Werke sind Gradmesser des Hochstandes
der Kultur einer Stadt, eines Landes, ja eines Volkes.
Ist es da wohl angebracht, mit der Not der Künstler
geradezu hausieren zu gehen, ja diese in einem gänz-
lich unnötigen Maß von Wortschwall noch zu über-
treiben? Was erzielt man damit? Man stempelt den
Künstler zu einem Hungerleider, dessen Vorhanden-
sein heute unerwünscht ist, ja, man schädigt das An-
sehen, das er sich schon allein durch die unvergäng-
lichen Schöpfungen seiner Kollegen in vergangenen
Jahrhunderten erworben hat. Und was erzielt man
damit? Man bringt es dahin, daß man seine Arbeiten
entwertet, ja, daß viele glauben, daß man es wagen
darf, ihre Künstlerhonorare stark zu unterbieten, weil
man annimmt, der Künstler sei durch die Not ge-
zwungen. jedes noch so geringe Angebot anzunehmen.
Es ist dies eine leider allzu wahre Wahrheit. Aber sie
muß einmal offen ausgesprochen werden. Man muß
einmal an das Ehrgefühl der Öffentlichkeit appellieren,
den Künstler um seines Werkes willen wieder zu ach-
ten und sich zu erinnern, was alles er zum Ruhme
unseres Vaterlandes getan hat. Der Künstler ist ein
wichtiges Glied am Körper unseres Volkes. Sein ver-
edelnder und erzieherischer Einfluß, seine Vergeisti-
gung der nüchternen Materie sind Qualitäten, die
seinen Werken und seinem Wirken dauernden Wert
verleihen.

Das Ansehen des wirklichen Künstlers wird aber
noch durch andere Dinge geschädigt. Das ist der
Hausierhandel mit Nichtkunst, der heute mehr denn
je in erschreckender Weise grassiert und der eher zu-
nimmt als abflaut. Es muß einmal offen ausgesprochen
werden, daß es gerade die Schicht der Gebildeten ist,
die hieran ein gut Teil Schuld trägt. Man sollte doch
meinen, daß unsere Museen und unsere Ausstellungen
genügend Maßstabmöglichkeiten bieten, um sich ein
Urteil darüber zu bilden, was Kunst und was Nicht-

kunst, was gut und was böse ist. Man könnte aber
weiterhin glauben, daß man sich in Zweifelsfällen an
die Direktionen unserer Museen und Galerien oder an
angesehene und bekannte Künstler oder auch an die in
vielen Orten bestehenden Kunstvereine wenden würde,
um sich vertraulichen Rat einzuholen, wie man zu ver-
fahren hat, ohne sich und seine Erben zu schädigen.
Doch siehe da! Es geht der Vertreter oder die Vertreterin
einer Porträt-Massenfabrikationsfirma, die am laufen-
den Band arbeitet, von Haus zu Haus, jammert etwas
von der augenblicklichen Not der Künstler und bietet
Aufträge zu Ölporträts nach vorhandenen Photogra-
phien mit derVersicherung an, daß für volle Bildnisähn-
lichkeit garantiert wird. Es wird ein Honorar verein-
bart, eine Anzahlung geleistet, die weitere Erledigung
auf dem Wege von Ratenzahlungen verabredet, und der
Auftrag ist perfekt und der Auftraggeber gebunden.
Wochen bangen Wartens vergehen, und schließlich
kommt das bestellte Porträt oder besser gesagt ein
Machwerk übelster Art, das jedwede Bildnisähnlich-
keit und vor allen Dingen jedweden künstlerischen
Zug vermissen läßt und im günstigsten Falle eine ver-
größerte und dann übermalte Photographie ist. Der
Auftraggeber ist enttäuscht, und nun erst geht er. da
er sich geschädigt fiildt, zu dem zuständigen Fach-
mann, wo er zu seiner Beschämung belehrt wird, daß
er sich um ein Geringes mehr von einem tüchtigen
ortsansässigen Künstler hätte malen lassen können,
und daß er dann ein wirkliches Kunstwerk bekommen
hätte, an dem seine Nachkommen noch ihre Freude
gehabt haben würden. Doch so ist es nun einmal!
Man getraut sich nicht, sich sofort an einen richtigen
Künstler zu wenden, der über entsprechend große
Erfahrungen und technische Geschicklichkeit verfügt
und der in die ordnungsmäßige Ausführung eines
solchen Auftrages seine ganze künstlerische Ehre setzt,
während jener namenlose Plagiator, der für einen
Hungerlohn ein Bild nach dem anderen heruntermalt,
gar kein Interesse daran hat, seine ganze Kraft in die
Waagschale zu werfen, der dies zumeist auch gar nicht
kann, da er vielleicht kaum etwas anderes als ein ge-
schickter, mit rein äußerlichen Mitteln operierender
Dekorationsmaler ist, der keinerlei persönliches Ver-
hältnis zu dem Dargestellten hat, da er ihn ja nicht
kennt, sondern nur seine leblose Photographie vor sich
hat. Welch unglaubliche Schädigung aber ist für die
ortsansässige Künstlerschaft mit der Vergebung solcher
Aufträge an fragwürdige auswärtige Institute dieser
Art verbunden! Durch das Sichdazwischenschieben
solcher Elemente wird der Konnex zwischen Künstler
und Kunstfreund zerrissen. Ein reichlicher Rede-
schwall versteht es, das Vertrauen zu erschüttern. Die
 
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