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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Oktoberheft
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Das Toulouse-Lautrec-Werk der Sammlung Stinnes: Auktion bei Boerner in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0048

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Das Toulouse-Lautrec-Werk der Sammlung Stinnes

Auktion bei Boerner in Leipzig

Loys Delteil spricht in seiner 1920 erschienenen Einleitung zu
dem Handbuch der Lithographien des Toulouse-Lautrec, „der
charakteristischsten und originellsten einer Epoche“, davon, daß
dieses Werk einst „klassisch“ werden würde „wie das eines
Degas“, wenn es auch noch „Gegenstand der diametral ent-
gegengesetzten Kritiken“ sei. Heute erscheint diese Prophezeiung
schon als selbstverständliche Tatsache, die feindlichen Kritiker
haben iimlernen müssen, und wer noch zweifelte, brauchte nur
in die herrliche Toulouse-Lautrec-Schau in Paris vom Frühjahr
1931 zu gehen.

Die Möglichkeiten einer ähnlichen Überschau sind in Deutsch-
land gering, die Zahl der Weitsichtigen, die sich diesem Künstler
schon vor dem Krieg' ergeben hatten, ist klein. W. A. Heymel
gehörte zu ihnen, Stinnes erwarb dessen Sammlerwerk bereits
im Jahre 1911. Es bildet die exemplarische Erfüllung der bei-
den Kardinalforderungen systematischen Graphiksammelns: des
Strebens nach Vollständigkeit und der Liebe zur feinsten gra-
phischen Qualität, zum Frühdruck. Die Vollständigkeit ist so
weit erreicht, als die sehr geringe Anzahl der erschienenen
Drucke, von denen oft nur einige Exemplare existieren und die
verhältnismäßig kurze Zeit es zuließen. Das Erreichte ist ziemlich
einzigartig, die Anzahl und Qualität der Frühdrucke dürfte kaum
zu überbieten sein.

Von den frühesten Arbeiten zu der ersten Folge Les vieilles
Histoires (D. 18—23) vereinigt die Sammlung jeweils die Serien
der Abdrucke vom frühesten Probedruck in Schwarz, auf Japan
und China, über den Druck vor aller Schrift, in Farben, bis
zum endgültigen Titelblatt; die erste selbständige Folge, Le Cafe
Concert (D. 28—38) auch von 1893, liegt in einem vollständigen
Exemplar auf Japan vor. Hier hat Toulouse-Lautrec schon seinen
endgültigen Stil gefunden, den er dann in verblüffender Schnellig-
keit zur Meisterschaft steigerte. Aus dem gleichen Jahre gibt es
bereits die ersten Porträts der Mlle. Lender, die berühmte
Brandes dans sa Loge (D. 60) in einem feinen Probedruck, 1894
erscheint die Yvette Guilbert-Folge (D. 79—95), die den Ruhm
des Künstlers wie der Dargestellten etablierte. In dem lTeymel-
Werk gibt es eine Serie seltenster Probedrucke dieser Blätter von
prachtvoller Qualität. Die folgenden Porträts der Lender sind alle
in schönsten Drucken vertreten, dabei das Ganzfigur-Portiät
(D. 103) in Farben, von dem nur zwölf Exemplare erschienen
sind, in drei verschiedenen Abdrucken. 1895 erscheint ein weiteres
Meisterwerk, die Miss May Beifort (D. 119). Stinnes hat dieses
Hauptblatt in seltenen Probedrucken beider Zustände. Die Folgen
Melodien und Porträts (D. 129—142) d’Acteurs et d’Actrices
(D. 150—168) sind fast vollständig, die erste in Probedrucken,
dabei einer von den allerseltensten des ganzen Oeuvres. Es folgt
die herrliche Serie der Elles, vollständig in Farben gedruckt, in
denen sich schon Blätter von einer unerreichten Endgültigkeit
der Linie und der Form finden. Der erste Zustand des Proces
Lebaudy gehört zu den bekannten Raritäten, von den Menü- und
Einladungskarten gibt es nur ganz wenige Exemplare, L’Auto-
moboliste, eine geistreich karikierende Darstellung eines Freundes
und ersten Automobilisten, ist selten zu sehen. Die Illustrationen
zu Clemenceaus Buch Au pied du Sinai sind komplett, die
spätere aber nicht minder berühmte Yvette Guilbert-Folge von
1898, die Serie anglaise verrät schon eine Art besonderen Alters-
stiles. Kurz vorher, 1897, schuf Toulouse-Lautrec die fünf großen
farbigen Blätter, die man neben der May Beifort, der Yvette
Guilbert und der Elles als seine Meisterblätter bezeichnet: La
g'rande Loge (D. 204), La Clownesse au Moulin-Rouge (D. 205),
Idylle Princiere (D. 206), Elsa dite la Viennoise (D. 207), und
La Danse au Moulin-Rouge (D. 203). Diese wunderbaren Blätter,
deren jedes nur in 12 oder 16 oder 20 Abdrucken erschien und
ohne die jedes Toulouse-Werk ein Torso ist, bilden in der Schön-
heit ihrer Farben und Darstellungen die Glanzstücke der Samm-
lung. Neben ihnen stehen die Petite Loge (D. 209), La Partie de
Campagne (D. 219), der Jockey (D. 279), in Farben und in

Schwarz gedruckt, der Napoleon (D. 358). Außer diesen großen
farbigen Blättern gibt cs die große Zahl der kleineren in Schwarz,
von Delteil erwähnte Raritäten, Probedrucke, frühe Zustände die
Menge. Eines von ihnen sei wegen seiner besonderen Seltenheit
hervorgehoben. L’Entraineur et son Jockey (D. 281) das ursprüng-
lich mit dem Jockey (D. 279) und anderen leider nicht aus-
geführten Blättern die Folge Les Courses bilden sollte. Den Be-
schluß des Werkes bildet eine Serie der berühmten Toulouse-
AITichen, große farbige Plakate von überraschender Wirkung,
auch unter ihnen seltene erste Zustände.

August Renoir (1841—1919), „Im Wald von Fontaine-
bleau“ (Le peintre Lecoeur)

Gr. 1,05X0,80 cm.

Vergl. Vollard Renoir, Paris 1919, S. 32
Sammlung Geheimrat M. Leiffmann
Versteigerung von Gemälden alter und neuerer Meister
bei Flechtheim, Helbing und Paffrath, Düsseldorf, am
12. November 1952

Und immer noch hat dieser Umriß in großen Zügen eine Lücke.
Es gibt in dieser Sammlung noch ein paar Original-Zeichnungen,
Entwürfe in Kreide, Rötel und Aquarellfarben. Zu dem frühen
Blatt „Pour toi“... (D. 19), einige Skizzen zu den Elles, einen
herrlichen Entwurf zu der Affiche May Milton (D. 356), einem
ebenso schönen zu einer anderen (D. 663), Blätter von aller-
persönlichster und allerfeinster Qualität.

Soviel über diese Sammlung. Abgesehen von ihrer rein samm-
lerischen Qualität, die allein ein näheres Eingehen rechtfertigen
würde, muß der Kunstliebhaber auf diese ungewöhnliche Ge-
legenheit hiugewiesen werden, sich ein künstlerisches Erlebnis
seltener Art zu verschaffen.

In den zehn Jahren von 1891—1901 hat Toulouse-Lautrec, ein
von Jugend auf leidender Mann, dieses Werk von 568 Blättern
neben einem großen Oeuvre an Bildern und Zeichnungen ge-
schaffen, mit 37 Jahren ist er schon gestorben. Von Degas be-
einflußt, doch viel packender und unerbittlicher als dieser, dem
 
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