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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Septemberheft
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Donath, Adolph: Max Slevogt: Gestorben am 20. September 1932
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Tietze, Hans: Private Kunstsammlungen in Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0009

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interessierte ihn Böcklins Farbenphantasie, aber sie
peitschte ihn nicht auf, und erst in Frankfurt am
Main, wo er kurz vor seiner Übersiedlung nach Berlin
gelebt hat, verdichteten sich seine französischen Ein-
drücke. Delacroix wurde seine Sehnsucht, Daumier
beflügelte seinen Humor, Manet schärfte seine Augen.
Und als er 1901 Berlin zu seinem ständigen Aufent-
halt wählt, rumort in ihm Max Liebermanns Welt.
In Berlin wird er der richtige Impressionist, einer von
großem Format und dazu noch der Meister der Griffel-
kunst, den unsere Sammler verehren und lieben.

Aber auch die Bilder Slevogts begegneten in Berlin
schon vor mehr als zwei Jahrzehnten empfänglichen
Sammler kreisen. Und da erscheint es mir wichtig, zu
erzählen, wie sich der Künstler selbst zu seinen Freun-
den gestellt hat. „Wenn der Sammler“, so sagte er mir
einmal — siehe meine ,'lechnik des Kunstsam-
rnelns5 —, „hinter mir her ist, regt mich das auf. Bei
Steinbart war das so, und der hatte vielleicht mein
Lebenswerk zusammengebracht. Aber er war fast nie
zu bewegen, meine Bilder auszustellen. Er hält sie ver-
steckt, und heute, da er tot ist, ist die Sammlung in
drei Teile gespalten, von denen der eine sogar in
Holland steht, ja, es ist etwas Seltsames um die Lei-
denschaftlichkeit des Sammlers: sie bringt den Künst-
ler außer Atem. Es ist wie beim Theater, wenn das
Publikum wahnsinnig applaudiert. So ein Gefühl habe

ich, wenn einer hinter mir her ist. Bald aber klage ich
wieder, daß die Bilder versteckt bleiben.“

Aus diesen Verstecken wird in diesen Tagen der
Gedächtnisausstellungen so manche Kostbarkeit her-
vorgeholt werden. Vielleicht aber zeigt man uns auch
die Entwürfe zu den Slevogtschen Fresken. Die Wand-
bilder der Cladower Gartenhalle Johann Guthmanns
besitzt, wie man weiß, die Nationalgalerie Berlin.
Ludwig Jusii hatte sie seinerzeit im „Kunstwanderer“
publiziert. Slevogt war ja — und das ist unbestreit-
bar —• einer der beweglichsten, geistreichsten und
originellsten Freskenmaler, die uns das neue Jahr-
hundert gebracht hat. Aus dem gesegneten Zusammen-
strömen der angeborenen und erworbenen künstleri-
schen Mittel erwuchs in ihm auch die Liebe zum
Wandbild. Als im Sommer 1927 die Fresken im Hauff-
Keller des Rathauses zu Bremen vollendet waren, sagte
ich: „Alle guten Geister und Vorläufer der modernen
Malerei, der Engländer Rowlandson wie der Franzose
Daumier, mögen hier Slevogt bei seinen Köpfen der
Apostel, der Jungfer Rose und des Bacchus den Weg
gewiesen haben. Und trotzdem ist es ureigenster
Slevogt, ist das Werk einer nie versagenden Künstler-
la u ne . . .

Diese Künstlerlaune ist nicht mehr. Sie ist allzufrüh
versiegt. Ihr Werk aber wird bleiben.

Private Kunstsammlungen in Amerika

Von

Hans Tietze-Wien

Vielleicht ist es ein Fehler, daß ich die privaten
Kunstsammlungen der Vereinigten Staaten von den
öffentlichen trenne; denn jene sind die Vorstufe die-
ser, das Organ, durch das sich deren Wachsen in der
Hauptsache vollzieht. Wie in Europa das Kunstsam-
meln als eine repräsentative Tätigkeit der Fürsten
oder des Adels dem einem breiteren Publikum dienen-
den Kunstinteresse des Staates oder anderer Körper-
schaften vorangegangen war, so hat in Amerika Kunst-
sammeln — in Anlehnung an europäische Vorbilder —
als Selbstdarstellung der sozial oder finanziell maß-
gebenden Schichten begonnen, um erst später unmittel-
barer in den Dienst der Allgemeinheit zu treten. Aber,
wie solche Überstürzung des Entwicklungstempos
überhaupt ein Merkmal des amerikanischen Lebens ist,
der Übergang hat sich auch auf diesem Gebiet unver-
gleichlich schneller vollzogen; privates Kunstsammeln
hat sich zunächst nicht in einer Form individuellen
Auslebens — oder privatwirtschaftlicher Spekula-
tion •—, sondern als wesentlichstes Hilfsmittel öffent-
lichen Museumswesens entwickelt. Daß. bedeutende
Sammlungen in irgendeiner Form einmal dem öffent-
lichen Kunstbesitz zufallen werden, ist hier etwas so
Selbstverständliches, daß das Nichteintreten dieses
Falles eine seltene Ausnahme ist. Diese in Grund-

lagen des amerikanischen Geistes wurzelnde Auffas-
sung wird von der Gesetzgebung verständnisvoll ge-
fördert; Steuererleichterungen für Vermögensteile, die
der Öffentlichkeit fest zugesichert sind und später zu-
fallen werden, vollenden die ohnedies vorhandene
Tendenz des privaten Kunstbesitzes, sich in den öffent-
lichen zu ergießen. So sind alle älteren Sammlungen
hohen Ranges an Museen gelangt oder selbständige
Museen geworden; die Sammlungen Altmann, Have-
meyer, Morgan, Friedsam u. a. haben das New Yorker,
die Sammlungen Way und Roß das Bostoner Museum,
die Sammlung Clark die Galerie von Washington, die
Sammlung Arnery die von Cincinnati, die Sammlung
Holden das Museum von Cleveland, die Jarves-Samm-
lung das von Yale in New Plaven bereichert; daneben
sind das Gardener Museum in Boston, die Sammlung
Johnson und die Dr. Barnes Foundation in Phila-
delphia, die Fryer Collection und Philipps Memorial
in Washington, die Picrpont Morgan Library in New
York, die Huntington Library in Pasadena und so
viele andere selbständige Anstalten geworden; die
Fricksammlung in New York, die Waltersammlung in
Baltimore, die Taftsammlung in Cincinnati sind ge-
rade im Begriff, die gleiche Umwandlung zu vollziehen.
Von anderen steht gleiches für die Zukunft fest, etwa

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