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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 14.1932

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Oktoberheft
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Gabelentz, Hans von der: Romanische Figuren im Thüringer Museum zu Eisenach
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https://doi.org/10.11588/diglit.26709#0033

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Romanische Figuren im Thüringer Museum zu Eisenach

Von

Hans v. d. Gabelentz

Von den drei holzgeschnitzten Figuren*), die neuer-
dings in den Besitz des Thüringer Museums gelangten,
ist der Johannes die älteste (Figur 1). Sie mißt etwas
über halbe Lebensgröße (1,10m hoch,an ihrer breitesten
Stelle 0,23 m breit, Kopfhöhe 0,16 m. Die Figur hat

Fig. 1

demnach etwa sieben Kopflängen). Das Material ist
Lindenholz, das ursprünglich sicher bemalt war, doch
fehlen irgendwelche Farbspuren. Der Erhaltungszu-
stand ist bis auf einen schmalen Riß, der von der

*) Der Johannes stammt aus der Kirche zu Braunsdorf bei
Triplis, der ältere Kruzifixus aus Elxleben bei Arnstadt, der
jüngere aus Arnstadt in Thüringen.

Brust bis zum Leib reicht, ein guter. Die Füße sind
nicht sichtbar, waren vielleicht auch nicht angegeben.
Bei hoher Aufstellung wären sie von unten ohnehin
kaum wahrzunehmen gewesen. Der Rest eines hölzer-
nen Zapfens am Fußende läßt darauf schließen, daß
die Figur ursprünglich in einem Zapfenloch befestigt
war.

Johannes steht gerade aufgerichtet da, die Beine
säulenartig nebeneinander gestellt. Vorder- und Rück-
seite sind mit gleicher Sorgfalt bearbeitet, die Figur
war demnach ebenso auf Vorder- wie auf Rückensicht
berechnet. Beide etwas zu kurz geratene Arme sind
dem Oberkörper gleichsam ängstlich angepreßt. In

Fig. 2.

der Linken hält der Jünger ein Buch, die Rechte ist
mit ausgestreckten Fingern an die Wange geschmiegt.
Auffallend schmale, stark abfallende Schultern und
Hüften geben der ganzen Figur etwas Überschlankes,
Befangenes, Materialgebundenes. Der Kopf (Fig. 2)
sitzt gerade auf dem kurzen, kräftigen Hals; der
Blick, ursprünglich wohl durch Bemalung verdeut-
licht, ist gesenkt. An dem schmalen, vom mächtigen
Schädel überwölbten, oval geformten Gesicht fällt die
einfach-strenge Gliederung auf. Zwischen den bei-
nahe horizontal geschnittenen Augenbrauen senkt
sich die Nase gerade herab zu dem kleinen breit-
lippigen Mund. Ohne Angabe von Falten auf der
Stirn oder um den geschlossenen Mund, herrscht in
dem Gesicht der Ausdruck innerer Ruhe und Gelas-
senheit vor. Als Kopfbedeckung dient eine eng an-
schließende, die Haare vollständig, die Ohren teil-
weise bedeckende Kappe, die am Hinterkopf turban-

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