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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 13 (1. Aprilheft 1910)
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Avenarius, Ferdinand: Unsere Fürsten und wir
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0024
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Ringen der Beamtenschaft. Aber die Fiktion von einer höhern
Wesensart der Fürsten fnhrt zu Mißständen schon beim persönlichen
Amgang. Die — sagen wir: Königliche tzoheit, die vorhin zu uns
sprach, wünscht Mann mehr „Gelegenheit" zum Verkehr mit Fürsten.
Schon die Satzungen der „Hoffähigkeit" nehmen einer Anzahl von
Männern diese Gelegenheit einfach deshalb, weil sie sich mit ihrer
Selbstachtung nicht vereinigen lassen. Es verträgt sich zum Beispiel
mit Vieler Selbstachtung nicht, für ihre Person bei Hofe zu ver-
kehren, während man ihre Gattinnen ausschließt. Es verträgt sich
mit ihr auch nicht, das durch die Annahme einer Adelsmatrikel
zu ermöglichen, als würde man jetzt nachgerade so viel wert, wie
andre von ihrer Geburt ab sind. Meinen unsre Fürsten, es seien
die schlechteren Elemente, die in sogenannten Auszeichnungen De-
mütigungen fühlen, so glaube ich nach meinen persönlichen Erfah-
rungen und Beobachtnngen, daß gerade diese ihre Ansicht ein Be-
weis dafür ist, wie manches ihnen durch die Gottesgnadentnm-Stili-
sierung der fürstlichen Gepflogenheiten in Deutschlaud entgeht. Zwar,
nur der demokratische Philister, dem das Denken rostet, wird sich
vor Fürsten nach Rabagas-Art benehmen und sich dem Tone des
Hofes nicht fügen, in dem er einmal verkehrt, denn der Hof ist des
Fürsten Haus, den Ton im Haus hat der Hausherr vorzuschreiben,
und eben durch meinen Eintritt dort akzeptiere ich ihn nach Gastes-
pflicht. Frei aber geben kann sich nur, sein Bestes bieten kann
allein, wer als Gleicher mit Gleichem in Rede und Gegenrede ver-
kehren darf. Deshalb wird ein Fürst unter den heutigen Verhält-
nissen die besten Köpfe seines Volks, wenn sie nicht gerade den
Hochadel- oder Hofkreisen angehören, im persönlichen Verkehre meist
nur vou außen kennen lernen. Wir haben ja in Deutschland fürst-
liche Außerungen genug gehört, die von der Lebensfremdheit zengen,
die hieraus folgt. Ist uns andern ein besseres Kennen der Fürsten
zu wünschen, so wahrlich auch den Fürsten ein besseres Kennen der
deutschen Gebildeten außerhalb fhrer Kreise.

Das religiöse Gefühl und der Glaube an ein Gottesgnadentum
ist heutzutag nur bei einer Minderheit noch Stütze der Dynastien,
die Mehrheit auch der monarchisch Gesinnten bildet sich aus den
beiden vorhin kurz umzeichneten Gruppen. Verlangt es das Inter-
esse der Dynastie, sich in unsern drohenden Zeiten fester im Boden
zu verankern, so müssen sie aus eignem Interesse den Opportuni-
täts- wie den edler veranlagten Verstandesmonarchisten neue Be-
weise zu den alten bringen dafür, daß sie dem Ganzen nützlich
sind. Sie müssen nähere, viel nähere Fühlung mit den Führenden
suchen, vorurteils- und voraussetzungslos, in der eiuzigen Art, die
uns Menschen einander ins Innere blicken läßt, in einer Verkehrs-
art nicht zwischen „Hoch" und „Niedrig", sondern von gleich und
gleich. Und nicht bloß im offiziellen, auch im vertraulichen Verkehr.
Ls gibt Fürsten, die das auch jetzt verstehn, der Einsender unsrer
Zuschrift gehört dazu. Mitunter scheint es jedoch, als verstanden es
früher mehrere.

Aber das Verkehren ist nur Vorarbeit, ist nur ein Lernen und
Informieren. Dann hätte die Anwendung des so Gelernten zn

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