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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 17 (1. Juniheft 1910)
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Langen, Gustav: Christliche Kunst, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0364
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Predigt doch nicht hat begnügen können und daß es keine Neuerung,
sondern nur eine Weiterentwicklung ist, wenn er der Pflege un<-
sagbaren Seelenlebens durch die Kunst in Zukunft wieder seine
Liebe und Kraft zuwendet.

Freier in den Mitteln und Zielen, als die katholische Kirche, kann
hier der Protestantismus dem modernen Empfinden auch durch neue
Anlagen Stätten heiliger Andacht bereiten. Nnd alles aufnehmen,
was, ohne Falsch, vom Geiste der Liebe geheiligt und mit dem Siegel
der Kunst geadelt ist. Denn das alles ist — christliche Kunst.

Gustav Langen

Lose Blätter

Balladen von Gustav Schüler

sGustav Schüler gilt unter denen, die seine bei Fritz Eckardt in Leipzig
erschienenen „Balladen" überhaupt schon kennen, durchaus nicht zu Un-
recht für einen unsrer besten Balladendichter. Unter seinen Mängeln mag
der wichtigste sein, daß er vielleicht zu stark auf die umuittelbare Wirkung
geht; wär er Dramatiker, so könnte man sagen: daß er zu theatralisch
arbeitet. Nicht aus Außerlichkeit, sondern weil die Begabung für die
besondere Ausdrucksweise die allgemein poetische übertrumpft; man kann
zu viel „Balladenblut" haben wie zu viel „Theaterblut". In seinen
schwächern Stücken schlägt Schüler mit dem Worte von Anfang an drein;
wir sehen mehr ein Geschehen als ein Werden, hören schließlich zu viel vom
Donner und fühlen zu wenig den Blitz als Blitz. Aber dieser Fehler
wirkt gerade in unsrer heutigen Dichtung fast wie ein äekaut äs la vertu,
denn gerade was Schüler hat, das fehlt den meisten: eben das „Balla-
denblut". Seine ungewöhnliche Tugend ist zudem Knappheit verbundcn
mit Anschaulichkeit. Er ist von jeder Geschwätzigkeit frei, seine Balladen
haben keinen Vcrs mehr, als die Sache verlangt. Und er ist nie ein
abstrakter Erzähler, er läßt immer sehen. Das besagt schon, daß er kein
Epigone ist, er Pfeift oder trommelt nicht in andrer Leute Ton, er ringt
persönlich mit den Stoffen. Zuzeiten tauchen Gebilde auf, die durch-
aus eigenartig und sehr cigentümlich sindZ

Die Geige

runkalte Möbel. Spinnend Dämmerlicht.

^Lr lehnt vor einem Bild. „Veronika."

Er sagt's, als wenn ein Nardenglas zerbricht.

„Sag mir, daß du mich siehst. Kannst du mich sehn,
Veronika, vor deincm Bilde stehn?" —

Und von der Wand her ging ein leises: „Ia."

Der Frager starrt, wird kühn. „So sprachst du, sag?"
Er kniet vorm Bilde, küßt's. „Veronika!

Ist's, wo du weilest, Tag? Sonst schüfst du Tag.

Und allen Toten würdst du großes Leben
Mit deinem Atem, deinen Augen gebenl" —

Und von der Wand her ging ein leises: „Ia!"

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Kunstwart XXIII, s?
 
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