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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 17 (1. Juniheft 1910)
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Mangoldt, Karl von: Der Berliner Waldskandal
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Pfordten, Hermann von der: Robert Schumann
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0349
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Diese Grrmdlinien sind es auch, auf denen sich der obenerwähnte
Aufruf bewegt. Iedenfalls aber, fo oder so, muß diesem Ber--
liner Waldskandal, der allmählich ein Skandal für ganz Deutsch-
land wird, ein Ende gemacht werden! Oder sind wir nur zu dem
Ende reich geworden und emporgekommen, um alle höheren und
dauernden Interessen mit Fnßen zu treten? Der Pioniere sind nun
genug vorangegangen, jetzt kommt es — dringend! — auf die Unter»
stützung, auch die finanzielle, aus weitern Kreisen für die Bewegung an.
Möchte sie der guten Sache nicht fehlen!* ^<arl von Mangoldt

Nobert Schumann

^^-<or vier Iahren haben wir seinen fünfzigjährigen Todestag ge-
(feiert. Der Kunstwart widmete ihm eine Betrachtung seines
Wirkens und Wesens, eine Auswahl aus seinen Schriften und
Briefen, und gab dazu eines seiner schönsten Lieder und eines seiner
reizendsten kleinen Klavierstücke. Nun begehen wir den hundertjähri-
gen Geburtstag des Meisters, den die musikalische Welt in der übli-
chen Weise durch Aufführungen seiner Werke, leider meist wieder nur
der bekanntesten und beliebtesten, festlich zu gestalten sucht. Wie in
jedem solchen Fall muß auch hier die Frage laut werden: geschieht
das alles nur, um ihn pflichtgemäß zu ehren? rauscht es vorüber und
ist es dann vorbei? oder greift es tiefer und wirkt es nachhaltiger?
hat Schumann uns noch etwas zu fagen, das uns unverloren bleibt?
Wenn es sich um eine Geburtstagsfeier handelt: lebt uns seine
Person und sein Werk, oder wird er nur zu einem Scheinleben erweckt
und verfällt dann um so sichererem Tode? Das muß sich bald ent-
scheiden.

Er wird gepriesen als der große Romantiker. Aber seine Romantik
liegt uns recht fern. Wir können nicht mehr so naiv schwärmen wie
er, meinen wir. Am Ende stellen wir uns unter dieser romantischen
Schwärmerei etwas anderes vor als sie war, etwas Schwächliches,
Sentimentales, oder etwas Auklares, Verschwommenes. Schumann
aber war eine Doppelnatur: sinnig und innig verträumt, weltfremd,
zart und empfindlich, und zugleich sprudelnd und feurig, keck und
frisch, gesund und natürlich. Nnd er war sich dieses Doppelwesens
bewußt und gestaltete es (als Florestan und Lusebius) immer neu
und immer wahr. Das ist das Wesen seiner Romantik; und ich meine,
es ist echt deutsch, es liegt uns allen im Blut, wir kommen alle nicht
davon los. Oder wenigstens nur scheinbar. Zuzeiten mag es so aus-
schauen, als hätten wir die Kinderschuhe ausgetreten, die Kinder-
krankheit überwunden. Es mag sogar so weit gehen, daß wir uns
ihrer schämen, daß wir uns über sie lustig machen. Aber jedesmal,
wenu wir fo klug und so stark geworden zu sein glauben, daß wir
alle alten Schwächen hinter uns werfen, folgt sofort der Rückschlag,
die Ernüchterung, der Katzenjammer, und reuevoll kehren wir zurück
zu dem, was wir verkannt haben, und müssen aufs neue erkennen,

* Wer etwas in dieser Richtung tun will, wende sich an den „An-
siedlungsvcrein Groß-Bcrlin", Berlin-Schöneberg, Grunewaldstr. 30.

(. Iuniheft 1910 287
 
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