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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 15 (1. Maiheft 1910)
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Langen, Gustav: Christliche Kunst, [1]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0197
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Ich kenne nur eine Darstellung Christi, die alle Vorftellungen,
welche aus den Katakomben und Basiliken hervortauchen, zusammen-
faßt, ein Bild, das alle Schönheit und alles Leiden, alle Wetchheit
und richtende Größe dieser Gestalt umspannt, ein Monument, das
den Himmel zu bedecken und zu füllen scheint — es ist die Vor-
stellung, die in uns aufsteigt beim „L.8nu8 vei° der H-moll-Messe.

Und da sragt man sich, ob nicht Christus und Christentum so
sehr Geist sind, so sehr Seelenmacht und inneres Erleben, daß die
Musik der bildenden Kunst Stift und Meißel schweigend aus den
Händen nimmt. Gustav Langen

(Fortsetzung folgt)

Lose Blätter

Aus Joseph August Luxens ^Amsel Gabesam" und
Walter von Molos „Törichter Welt"

sWieder einmal zwei österreichische Talente, die in der deutschen Lite-
raturwelt ihrcn Platz finden wollen. Und beide von sener wienerischen
Geisteshaltung, deren bedcutendste künstlerische Inkarnation einerseits
Schnitzlers „Weg ins Freie", anderseüs Karl Adolphs „Haus Nr. 37"
darstelltcn. Ioseph August Lux, den Kunstwartlesern kein Fremdling, be-
tritt zum erstenmal das Neich der ernsteren Dichtung, vou Walter vou
Molo liegen vor uns schon der vierte und fünfte Prosaband. Luxens
„Amsel Gabesam" crinnert in manchen Zügen an I. I. Davids besten
Roman, den „Abergang". Aber dic klare, kunstvolle Arbeit jenes Scharf-
blickenden ist Lux fremd. Nicht ein sozial, sondern ein individuell ge-
sehenes Bild von Wien gibt er. Freilich bringt er die besten Vorbedin-
gungen dazu mit: Liebe und Vertrautheit. Und seine Liebe gehört dem
romantischen Wien, dem Wien der alten stillen Paläste aus dem Barock
und Rokoko, dcm kleinbürgerlichen Wien, dem Weinland am Fuße des
Kahlcnberges, dem Lanner-Strauß-Wien. Darin wächst „Amsel der Träu-
mer" auf, iu bunten, blühenden Phantasien, welche der Tod Klein-Annis,
der Weggang des gütigen Lehrers Stengelmaher und manche andre Ent-
täuschung vorübcrgehend bcschatten. Der Hhmnus wird dadurch nicht zur
Klage: mit immer neuen Tönen dringt dieser Sang vom romantischen
Wicn auf uns ein. Fast wie ein Niegehörtes klingt die Weise, aber zu
guter Stunde erinnern wir uns an Adalbert Stifters „Studien aus dem
altcn Wien"; und cine jubelnde Liebescrklärung an Stifter bringt denn
der zweite Teil — „Lehrjahre" —, in welchem der unbemittelte Gabesam
crst das Tischlerhandwerk erlernt, nach bitteren Erfahrungen entflieht,
cine Schreiberstelle annimmt und dabei an den Schähen der Dichtung
und Wissenschaft emsig sein Weltbild zu runden und zu vertiefcn strebt.
Wie ihm dabei die Wienerstadt in ihrer liebenswcrtesten Form, als Wiencr-
mädcl, zu Hilfe kommt, davon geben die „Losen Blätter" eine Probc. Auch
hicr folgt Trennung und Enttäuschung. Dann ein schweifendes Leben in
mancherlei Stellung, mit mancherlei bunten Abenteuern: Wiener, das heißt
ein liebenswürdiges Bohemcdasein mit dem Ilnterton des starken Willens
zum Ernst, zur Bildung, zum Volkserziehertum. Der Schluß deutet an,

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