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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 14 (2. Aprilheft 1910)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0175
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Vom vollendeten Edel-
mann

>,«m ein vollendeter Edelmann zu
^t-sein, muß der Seele nichts von
dcm servilen Gehorsam des Hof-
mannes ankleben, der anch nns so
leicht bis zu einem gewissen Grade
anerzogen ist. Die ritterliche Gesin-
nnng zeigt sich im Umgang mit den
Menschen, in dem Wert, den wir
sie zwingen, uns abzufühlen, in
dem mit Bescheidenheit gcpaarten
Bcwußtsein unseres eigenen Wer-
tes. Wir aber kommen mit den
Menschen fast nicht zusammen, ohne
daß wir eine aus anderen Gründen

eximierte Stellung unter ihnen ein-
nehmen. Wir überschätzen nns des-
halb so leicht selbst, auch gebensich
uns die Menschen oft nicht, wie
sie sind, sondern wir sehen durch
einen Spiegel. Darum kennen wir
nicht immer die Menschen noch die
Art ihres Verkehrs untereinander,
noch die Rücksichten, die der ritter-
liche Geist in ihm herbeiführt und
fordert. Das ist schlimm. Schlimmer
noch für den ritterlichen Geist in
uns, wenn wir uns selbst erhaben
über dergleichen dünken.

Prinz Friedrich Karl
von Preußen

Unsre Biwer und Noten

sehr schöne Bild von Fritz von Uhde, das unser farbiger Stein-
>^^druck zeigt, ist ganz wenig bekannt; es befindet sich in Privatbesih
und war unsres Wissens noch niemals öffentlich ausgestellt. Mehr
Entwurf als durchgeführtes Bild, zeigt es die Reize des Uhdeschen Im-
pressionismus iu der höchsten Frische. Es blüht von Licht und Farbe,
blüht sozusagen von Entdeckerfreude an der Aberfülle des malerisch Neuen
— stammt es doch recht aus der Frühlingszeit der Freilichtmalerei. Wir
entnehmcn das Blatt der Uhde-Mappe des Kunstwarts.

Die Radierungen von Fritz Boehle mögen wieder einmal
von der Kunst des Frankfurter Meisters zeugen, den „jedcr zwar mit
Ehrfurcht nennt", den aber nicht gar zu viele wirklich kennen und zu dem
auch nicht die, so von ihm wissen, sämtlich ein inneres Verhältnis haben.
Seine Kunst ist den meisten spröde, gerade weil sie durchaus Älatur,
urgesund kräftige Natur ist. Welche Gewißheit der Linie, welche
Geschlossenheit dcr Komposition, welche schlagendc Einfachheit der Cha-
rakteristik in diesem Hieronhmus hier, dem rüstigen Alten, der sich bei
seinem Vuche freut, fcrn der Welt, Gott sei's gedankt, und ganz wach
im Lesen trotz der Hitze, während sein Löwentier im Sitzen ein bißchen
einnickt. Dann dcr heilige Antonius — auch so einer und doch ein ganz
andrcr, wie er mal Pause macht, um schmunzelnd scin braves Borstenticr
zu tätscheln. Die Freude am Tier ist eine der guten Gaben Boehles,
eines Tierkenncrs, Tiergestalters und Ticrstilisierers aus innen
heraus, wie wir in der Kunst heute kaum einen zweitcu haben. Wie am
Löwen und am Schwein sehcn wir an dem ruppigen Köter auf dem dritten,
dem Marktbild, auch seinen Tierhumor. Ist dieses Marktbild nicht
ordentlich ein Gesprudel von Lcbcn? Man muß sich an die altmeisterlichen
Linicn Voehles in unsrer Impressionistcnzeit nur erst wicder gcwöhncn —
er skizziert ebcn nicht, er zeichnet fest. Was für Typen und doch wicder:
was für Einzelmcnschen sind das! Wie sie hier fcilschcn, dort schläfrig auf
Kunden warten. Dann die „Sachcn": der Planwagen mit den Pferden

2. Aprilheft WO


Lebeude Worte
 
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