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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 18 (2. Juniheft 1910)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0443
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Lose Blätter

Aus Niehl und Seume

sAnsre „Losen Blätter" sollerr diesmal durch einen „ältern" nnd einen
„alten" Herrn ohne allznviel „Deutlichkeit" allerlei illustrieren, was in
andern Bciträgen dieses „Reisehefts" berührt worden ist.

Wir können nicht besser zum Wandern und rechten Reisen anregen, als
wenn wir dem Altmeister der Wanderkunst W. H. Riehl das Wort geben.
Die klassischen Studien „Land und Leute", vor allem aber die Fartsetzung
„Das Wanderbuch" (sämtlich bei Cotta erschienen) sind wohl als Teile der
„Naturgeschichte des Volkes" berühmt, aber Berühmtheit und Bekanntheit
sind ja nicht ein und dasselbe: nicht gar viele wissen aus eignem Lesen,
wie unmittelbar persönliche (nicht allein wissenschaftliche) Förderung undAn-
rcgung aus jenen Büchern, cbenso wie aus dcr Monographie „Die Pfälzer"
zu Holen ist. Die Einleitung zum Wanderbuch, die von dcn „Handwerks-
geheimnissen des Volksstudiums" erzählt, zeigt, wie durchdacht bis ins ein-
zelne und dabei wie unpedantisch, wie frei und unmittelbar die Art Niehls
ist, Eindrücke zu sammeln, zu ordnen, in eine Einheit zn fassen und zu
einem lebensvollen Gesamtbilde zu gestalten. Seine Bcobachtungen sind
freilich in einer Zeit ((8H7—55) gesammelt, da man noch nicht in einem
Tag halb Europa durchqueren konnte. Und seine Schilderungen retten
für uns die ganze reiche Buntheit des ungeeinigten Deutschlands ins ncue
Industriezeitalter hinüber. Aber er sieht auch später noch, in den achtziger
Iahren, überall die alte charaktervoll ausgeprägte Eigenart der Gegenden
und Bevölkerungen. Seine eindringliche Art zu schauen war freilich seine
ureigene, letzten Endes künstlerische Gabe; aber manches „Handwerks-
geheimnis" können wir ihm immerhin absehen. So zum Beispiel, wie er
(etwa in unsrer Schilderung von „Eisenstadt") den unmittelbaren Ein-
drücken durch einen geschichtlichen Hintcrgrund, durch kulturhistorische Er-
wägungen, durch das Bild eines bedeutenden Mannes Sinn, Bcdcutung,
Einheit gibt. Immer aber holt er solche Ergänzung der unmittelbarcn
Wahrnehmungen aus dcm Lande, der Stadt, den Leuten selbst; das Bild,
das er uns zeichnet, bleibt immer geschlossen, klar und objektiv und wird
nie durch geistreiche Reflexionen verwirrt oder durch subjektive Stimmun-
gen getrübt. Er ist denn auch ein wundersam warmcr, förderlicher An-
regcr zu besonnenem, frohen, Angen und Seele klärenden Wandern,
dem man an manchem schönen Wandertag sich zu glücklichem Dank
verpflichtet fühlt. And zumal die Iugend, vor allem unsre Mittelschul-
jugend, die vielfach das Sehen verlernt hat, sollte ihn immer wieder zur
Hand nehmen und sich seiner frischen, männlichcn Führerschaft überlassen. —

Äber Seume, den „Spaziergänger nach Shrakus", spricht dcr Rund-
schaubeitrag von W. Michel. Hier lassen wir ein besonders anziehendcs
Stück seiner herben, immer männlichen und anschaulich straffen Prosa
folgen. Us

Eisenstadt

ohrau und Lisenstadt liegen nur einen mäßigen Tagemarsch von-
einander entfernt.

^ v-Man gcht bis Bruck längs der Leitha, die hier und noch eine
Strecke weiter aufwärts einen wirklichen Grenzfluß zwischen deutschem und

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