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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 13 (1. Aprilheft 1910)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0048
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bäume standen da; der Kundige mochte erkeunen, daß hier einmal ein
größerer Hain gewcsen war, und die lebenden Stämme wiesen wunderliche
Beschädigungen auf, tiefe Wunden von Axthieben, als habe sie einmal
jemand fällen wollen, der dann überrascht wnrde; der eine Baum lag
gänzlich auf dcr Erde und hing nnr noch zu einem geringen Teil mit
dem Wurzelstock zusammen; an einige der Bäume schien vor langen
Zeiten Feuer gelegt zu sein. Wohl vor mehr wie hundert Iahreu
mochten rohe Menschen hier gewüstet haben, die ülbäume aber grünten
auch jetzt noch, wie sie als ganz junge Bäumchen gegrünt hatten. Da
fiel Herrn Heinrich ein, daß hier Lürkenkämpfe gewesen sein mußten;
aber aus der blutgetränkten Lrde und dem Brandschutt grünte der öl--
baum, der Friedcn kündct und ruhigen Fleiß.

An der einen Seite der verfallenen Mauer glitt leise ein klcines
Wässcrlein dahin, das silbern leuchtete von dem weißen Grunde unter
überhängenden Gräsern und Rispen; neben dem führte der schmale Stieg
Herrn Heinrich weiter, bis ihn wieder Schatten hoher Eichen cmpfing
und dichtes Gebüsch; und nach einer kleinen Weile hörte er ein helles
Rauschen von dem Quell, dessen Abfluß das kleine Wasser war, und
zugleich ein leichtes Plätschern wie von einem Menschen im Wasser;
und weil er mit lantlosen Sohlen gegangen war auf dcm gefügigen
Moos, und ein breitstämmiger Baum verdeckte ihn, so konnte er auch
zur rechten Zeit sich verbergen uubemerkt, wie er sein Abentcuer erblickte.

Es war da aber ein gerader Felsen, in dem eine Nische gehauen war
in nralten Zciten, vielleicht noch im Altertum, mit einem Becken im
Boden davor, das allerhand leuchtende Blumen überhingen und zart-
gefiedertes Grün; in der Nische Mitten war ein Faunskopf angebracht,
der lustig einen klaren Wasserstrahl in das Becken sprudelte, vou dem
das Wasser dann ablief, dem entlang Herr Heinrich gegangen war; und
in einem verirrten Sonnenstrahl, der durch das Dach der großen Blätter
brach, schien es im Grund der Nische aufzublitzen wie von Äberresten
alter Goldmosaik. Aber das Wunder war, inmitten des Beckens in dem
Wasscr, auf dessen Oberfläche runde Sonnenflecke leuchteten, stand ein
badendes Mädchen, ein Kind, das cben zur Iungfrau gereift war, mit
des Bellini schwerem, goldblonden Haar und den tiefblauen Augen nnd
Wangen wie Roscnblätter; bis nahe an den Busen ging ihr das Wasser;
ganz unbewegt stand sie und sah gerade vor iich auf den Spiegel, als
wolle sie sich ihrer Schönheit freuen: so hielt sie sich eine Weile, plötzlich
aber griff sie mit einer raschcn Bewegung ins Wasser und hiclt einen
Fisch hervor, den sie nrit der Hand gefangen; es war ein breiter Fisch
mit silbernen Schuppen, von denen Tropfen abrollten und ins Wasser
fielen; der krümmte sich in ihrer Hand und öffnete weit dcn Mund, und
plötzlich war er ihr entglitten, fiel ins Wasser zurück und entschwamm
mit raschem Schlage des Schwanzes. Das Mädchen lief hastig hintcr ihm
her, schnell hier und da greifend, abcr der Fisch ließ sich nicht wicder
fangen. Änd wie sie in ihrem Eifer dem Faunskopf zu nahe gekommen
war, spritzte ihr plötzlich der silberne Strahl auf die Schulter und zer-
stiebte da in leuchtende Perlen, daß sie erschreckt aufschrie; dann lachte
sie über sich sclbst und hielt, sich umkehrend, des Fauns boshaften
Mund mit beiden Händen zu; aber der Strahl teilte sich nun in kleine
Fäden, die zwischen den Fingern hervorsprangen nach allen Nichtungen,


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