Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1910)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0133
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nicht immcr bei mir bteiben; ich weiß; nur wenn du das Bewußtsein
deiner Freiheit hast, kannst du dauernd mit einem Menschen zusammen
sein. Rnd wenn die schlimmcn Zeiten kommen, wenn du wirklich gehst,
so weiß ich: du wirst zurückkommen, ich werde immer die sein, die dir am
nächsten steht. — Pitt hob den Arm: Du kannst es nicht ertragen, du
wirst Vitterkeit gegen mich empfinden, du wirst es fühlen, wie egoistisch,
wie herzlos ich im Grunde bin. Du sollst dich nicht täuschen lasscn
durch meine Worte: ich sagte dir, du ständest mir am nächsten von allen
Menschen. Genau dasselbe habe ich einst zu Herta gesagt, und ich weiß:
ich habe damals mich und sie selbst betrogen. Herta war für mich nichts

anderes, als das, was der Ast, der über den Fluß hängt, für einen ist,

dcr auf den Wellen treibt. Ich klammerte mich an ihn, ich suchte

mich aufs Land zu ziehen. Kaum war ich ein wenig trocken, kaum hatte
ich die Erschöpfung etwas vergessen, verlor ich alle Dankbarkeit, wollte
ich wieder zurück in den Strom, ging mich der Ast im Grunde nichts
mehr an. Ich suchte mich vor mir selbst zu täuschen, mir einzureden,
das alles sei nicht wahr. Herta fühlte es aber ebenso deutlich wie

ich, nur hatte sie mehr Mut unü Klarheit, und machte da ein Ende,
wo ich immer flicken und wieder flicken wollte. Dann bildete ich mir ein

— wie früher schon in ähnlichen Momenten: ich liebte dich — um
nicht so völlig leer und gefühllos vor mir selber dazustehen: Elfriede!
Glaube nicht an mein Gefühl, es ist nur Täuschung und Halbwahrheit.
Du weißt nicht, an was für einen Menschen du dich ketten willst, all
deine Liebe würde nicht hinreichen das Leben mit mir zu ertragen. —
Nur dann, sagte Elfriede, wenn ich fühlen würde, daß alles wahr jst
was du sagst. Aber es ist nicht wahr! Zuvor hast du gesagt: du liebst
mich so, wie du einen Mcnschen nur liebcn kannst, und jeht, wo jch
hierauf weiter bauen will für mich und für dich, widerrufst du alles,
setzest du alles in ein zweifelhaftes Licht. Pitt, daraus sehe ich, daß dein
Gefühl zu mir ein echtes, tiefes ist; es packt dich eine Angst der Verant-
wortung, und nun widerrufst du alles, weil du mich zu sehr liebst um
mir ein Schicksal zu bereiten, das nur in deiner Angst bestcht! — Ia,
sagte er, so ist es; ich will nicht schuld sein, daß du unglücklich wirst.
Herta ist nicht unglücklich geworden, aber sie hat auch die Kraft gchabt,
frühzeitig genug allcs durchzuschlagen, und dann licbte sie mich lange
nicht so wie ich fühle, daß du mich liebst! — Du redest immer von
Hertas Stärke — ich kann dies nicht als Stärke empfinden, ich fühle
mich viel kräftiger als sie, denn meine größere Liebe macht mich stärker
gegen alles was mich treffen kann. Alle Zeitcn scheinbarer Entfrem-
dung, die zwischen dir und mir kommen können — und sie werden kommen

— werde ich ertragen in der Gewißheit, üaß du dich stets, stets zu mir
zurückfinden wirst. Wir werden Kinder haben, und in ihnen werde ich
dich selber wiederfindcn, und du vielleicht auch mich. Du siehst mich
noch zu sehr mit den Augen, mit denen du mich früher sahst: ich bin
kein junges MLdchen mehr, voller Ideale und Ansprüche, meine Licbe
zu dir ist eine andere geworden als sie war. Ich wollte dich vergesscn,
mehr als ein Menschenschicksal hat sich mit ineinem eigenen gekreuzt —
und ich habe es erfahren, daß der Weg aus ihnen immer wiedcr zu dir
zurückführt. Ich bin gcläutert worden und komme wiedcr zu dir: ich weiß
alles, alles, wie es werden wird, aber dies alles zu tragen bist du mir

2. Aprilheft MO fOA
 
Annotationen