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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 14 (2. Aprilheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0150
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früher noch als Eorot, Ronsseau,
Daubignh, Millet malte Andreas
Achenbach seine ersten realistischen
Bilder ohne irgendwelche Anregung
von neueren Fremden, im Künstler-
verkehr nur mit den alten nieder-
ländischen Herren, die seit sound-
so viel Iahrhunderten allen zur
Schau standen, die sehen konnten.
Welcher Zeitgenosse in Europa
malte damals so wirklichkeitsgetreu
wie Achenbach? Wir sollten dessen
eingedenk sein, wenn wir Frank--
reich immer und immer wieder als
das führende Malerland preisen.
Blind machen darf es uns gegen
Achenbachs Grenzen nicht. Der reife
Achenbach studierte mit unermüd-
lichem Fleiß, wie sein Meister, der
ältere Ruisdael, die Natur und
komponierte gleich ihm mit sorg-
fältigst ruhigem Abwägen seine Bil-
der, sie zusammenstimmend auf den
einen Hauptton, aus dcm die an-
dern Töne wie Schmuck von der
Tracht blitzten, unermüdlich be°
obachtend und meisterlich wägend,
immer bewußt und bedacht. Tat
das, obgleich seine Zeit die der Ro°
mantik war, tat es also, indem er
auf so kühle Weise sehr aufgcregtes
Naturtreiben wiedergab: der Eich-
wald brauset, die Wolken ziehn ge°
legentlich auch auf seinen Bildern,
wie bei Lessing, vor allem aber
schäumen auf ihnen die Wellen und
branden an die Küsten unterüber--
zeugend „echtem" Himmel so natur-
getreu, wie vielleicht überhaupt noch
nicht zuvor. Die Zcitgenossen waren
nicht nur von der gediegenen Ma°
lerei, sie waren auch und vor allem
von dem „dramatischen" Leben hier
hingerissen. Für unser Auge
bleibt es oft beim äußern Be°
wegen. Ein Naturbeseelen von
innen heraus, wie es der jüngere,
wie es Iakob Ruisdael hatte,
spricht zu uns aus seinen Werken
selten. Er malte meisterlich Bilder

nach erregten Bildern der Natur,
nicht aber übertrug er durch seine
Bilder ein großes, neues, selbstge-
schöpftes Fühlen von der Natur.
Ein Wicderbeleber und ein Neuerer
als Beobachter und als Könner,
war er als Empfindcnder nur einer
unter manchen, und so ergreifen
uns heute seine Bilder weniger als
viele, deren malerische Werte tief
unter den ihrigen stehn.

Solche Worte bedcuten Amgren-
zungen, Bemängelungen bedeuten
sie nicht. Es stände übel um unsere
Kunst, wenn sie nur nach einer
Dimension sich entwickelte, wenn
nur Phantasie und Gefühlsleben,
nicht aber auch nüchterner Tat-
sachensinn und willensfeste Arbeit
ihr Können gcstaltet hätten. Wir
alle schulden auch einem Achenbach
ehrfurchtsvollen Dank.

Arnerikanische Kunft in
Berlin

merika", das ist uns schon ein
ganz ausgerundeter Begriff,
eine Synthese; „amerikanisch" —
wir sehen gleich eine Physiognomie
in klarer Bestimmtheit. Mit uncr°
hörter Lnergie hat hier ein Usur-
patorengemisch aus den fertigen
Kulturen aller Ländcr, Völker, Ras-
sen sich zusammengeschweißt zu
einem organischen Volksganzen, zu
der Einheit einer nenen jungen Kul°
tur. Nicht nur in wirtschaftlich--
politischer Hinsicht, man kann durch-
aus von einer innerlich nationalen
Einheit, man kann schon von einer
Rasse reden. Aber hat diese neue
„Rasse", die wir in der Betätigung
ihrer realen Kräfte in so prägnanter
Eigentümlichkeit erkennen, auch
schon im Geistigen ihren charakteri-
stischen Ausdruck, hat sie schon ihren
Niedcrschlag in Kunst und Literatur
gefunden? Man denkt über ein
paar Poeten hinaus an Emerson
und Walt Whitman. Das waren

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