Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1910)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0156
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Angewalldte

Kunst

über Liszeit und Indianertum jäh
sich erhebenden Asurpatorenreich der
Dhnamos? Ragen nicht im Zen-
tralpark in New Pork aoch die von
den Glazialzeiten geschürften Felsen
zwischen den modernen Wolken-
kratzern auf? Ich betone noch ein-
mal: Winslow Homer ist noch gar
nicht Kunst. Aber vielleicht ist er das
Saatkorn, aus dem noch einmal
eine tiefgewurzelte eignc Kunst er-
sprießt, eine Kunst, die das Goethe-
sche „Hier odcr nirgends ist Ame-
rika" in symbolischer Schrift in der
Struktur ihrer Blüte trägt. Solche
Kunst verhülfe dieser „Nation ohne
Wiege" zu einer Kindheit. Ame-
rikas Entwicklung ist der Natur
entgegengesetzt, aus dem Alter fer-
tiger Völker hat es sich zur Iu°
gend einer neuen Nation ausge-
wachsen. Kunst aber will Kindheit.
Ob Amerika auch noch einmal seine
Iugend überwinden wird und zum
Kinde werden? —

Daß nebcn den herausgehobenen
Künstlern leider Dutzende, Dutzende
von Bildern hängen, die in anderm
Sinne als W. Homer mit Kunst
recht, recht wenig zu tun haben,
diese „malerischen" Naturabbildun-
gen, zu groß geratenen Buchum-
schläge für billige Indianergeschich-
ten und sentimentalen Genreszenen,
trübt den Lindruck der Ausstellung
sehr. Nnd kann uns bedenklich
machen: Schätzt man drüben der-
gleichen Sachen so hoch, oder über-
haupt als Kunst, ein? Erschöpft
der gebildete Amerikaner seine
geistigen Interessen, soweit sienicht
in — Sport aufgehn, gänzlich an
den Sonntagspredigtwassersuppen
seiner Puritaner- und Ouäker-
apostel? Und verlangt von der
Kunst höchstens abends im Klub-
sessel für seine abgespannten Ner-
ven eine leichte sentimentale Mo°
tion? Das wären allerdings für
das Werden einer charakteristischen,

rassenhaften Kunst keine günstigen
Bedingungen, wenn jede Sehnsucht
danach im Volke fehlte. —

Was die Wirkung dieser Aus-
stellung in Berlin betrifft, so kann
übrigens der Rezensent mit einer
gewissen Beruhigung konstatieren,
daß die Wogen der Sensation bei
diesem letzten ausländischen Kunst-
ereignis nicht so angsterregend
hochgehen, wie bei dem voraufge-
gangenen französischen. (Allerdings
beträgt der Eintrittspreis auch
nicht fünf Mark!) Mehr als eine
„ganz große" künstlerische „Sensa-
tion" kann also anscheinend selbst
der Berliner Kunstsnob nicht ver-
tragen. Das Drängen und die ent-
zückten Ausrufe der Damen sind
auch vor den nettesten Genrebil-
dern und elegantesten Porträts bei
weitem nicht so lebhaft wie vor den
süßen Gesichtern von Greuze. Ame-
rika, du hast es besser!

Erich Vogeler

Schick und Eleganz

chick und Eleganz sind heute
für viele fast nebeneinander
herlaufende Begriffe geworden; da
man schon begiunt, sic zu verwech-
seln, wird man sich bald nicht
mehr die Mühe geben, sie zu
trennen. Ob eine solchc Zrcnnung
heute noch von praktischem Werte
sein kann, das ist auch die Frage.
Theoretischen Wert möchte ich aber
dafür unbedingt in Anspruch neh-
men, da man bei dieser Gelegenheit
etwas lernen kann. So will ich
denn versuchen, die Begriffe Schick
und Eleganz in ihrer Gegensätzlich-
keit — denn es sind Gegensätze —
unserm hierfür schwindenden Ge-
fühle einmal wieder etwas näher-
zubringen. Haben wir dann beidc
Begriffe erst wieder an ihre rich-
tige Stelle gesetzt, so können wir
uns zum Schluß noch mit der
Frage beschäftigen, wie es komme,

(32 Kunstwart XXIII, tzs
 
Annotationen