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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 16 (2. Maiheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0292
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mit großer Anmut der Erfindung
und Ausführung auf eine heitere
Weise vom Unsittlichen ab und
zum Sittlichen hinleiten sollen.
Dahin rechnen wir »den Weg-
weiser«, »den Mann im Mond«,
»die Irrlichter«, »das Gespenst an
der Kanderer Straße«, von welchem
letzten man besonders auch sagen
kann, daß in seiner Art nichts
Besseres gedacht, noch gemacht wor-
den ist.

Das Verhältnis von Eltern zu
Kindern wird auch von dem
Dichter öfters bcnutzt, um zum
Guten und Rechten zärtlicher und
dringender hinzuleiten. Hierher ge°

Gegenstände, die realen Amgebun-
gen durchaus so schön benutzt,
daß man sich immer wieder in den
einmal beschriebenen Kreis zurück-
gezogen fühlt.

Aberhaupt hat der Verfasser den
Charakter der Volkspoesie darin
sehr gut getroffen, daß er durchaus,
zarter oder derber, die Nutzan-
wendung ausspricht. Wenn der
höher Gebildete von dem ganzen
Kunstwerke die Einwirkung auf sein
inneres Ganze erfahren und so in
einem höheren Sinne erbaut sein
will, so verlangen Menschen auf
einer niederen Stufe der Kultur die
Nutzanwendung von jedem einzel-

hören »die Mutter am Christabend«,
»eine Frage«, »noch eine Frage«.

Hat uns nun dergestalt der Dich-
ter mit Heiterkeit durch das Leben
geführt, so spricht er nun auch
durch die Organe der Bauern und
Nachtwächter die höheren Gefühle
von Tod, Vergänglichkeit des Ir-
dischen, Dauer des Himmlischen,
vom Leben jenseits mit Ernst, ja
melancholisch aus. »Auf einem
Grabe«, »Wächterruf«, »der Wächter
in der Mitternacht«, »die Vergäng-
lichkcit« sind Gedichte, in denen dcr
dämmernde, dunkle Zustand glück-
lich dargestellt wird. Hier scheint
die Würde des Gegenstandes den
Dichter manchmal aus dem Kreise
der Volkspoesie in eine andre Re°
gion zu verleiten. Doch sind die

nen, um es auch sogleich zum
Hausgebrauch benutzen zu können.
Der Verfasser hat nach unsrem
Gefühl das kmbula äoest meist sehr
glücklich und mit viel Geschmack
angebracht, so daß, indem der Eha-
rakter einer Volkspoesie ausgespro-
chen wird, der ästhetisch Genießcnde
sich nicht verletzt fühlt.

Die höhere Gottheit bleibt bei
ihm ,im Hiütergrund der Sterne,
und was positive Religion betrifft,
so müsscn wir gestehen, daß es
uns sehr behaglich war, durch ein
erzkatholisches Land zu wandern,
ohne der Iungfrau Maria und
den blutenden Wundcn des Heilands
auf jedem Schritte zu begegnen.
Von Engeln macht der Dichter
einen allerliebsten Gebrauch, in°

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Kunstwart XXIII, 16
 
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