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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 16 (2. Maiheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0326
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schnittsmaß ohne Schaden vertragen
kann, ohne Schaden sei es an der
Klarheit seines Denkens, sei es an
seinem Fühlen und an seinem per--
sönlichen Glück. Es scheint mir, ganz
abgesehen von den dichterisch-litera--
rischen Werten oder Mchtwerten des
Mannschen Buchs, ein unbestreit--
bares Verdienst, auf diese Seite im
modernen Fürstentum einmal hinge-
wiesen zu haben. Daß Manns „Ho-
heit" von der Liebe zur Arbeit ge-
führt, daß dadurch ihr Leben ver-
tieft wird, scheint mir auch durch-
aus glaublich. Daß seine äes zu°
gleich Amerikas Milliarden ins
deutsche Ländchen bringt, das macht
sie auch für mich, wie für Rath, zu
einer äes ex mLctiina — aber in
s o hohem Maße, daß ich gerade
in diesem Zuge die Glücksfee aus
Märchenland empfinde. So ist
für mich der Eindruck der sonder-
baren Geschichte dem Stimmungs-
wert nach allerdings der eincs Mär-
chens gewesen, eines symbolischen,
humoristischen Fabulierens, das Ge-
genwartselemente frei phantastisch
zusammenbaut. Nur wünschte ich,
es hörte da auf, wo „Held" und
„Heldin" sich innerlich gefunden ha°
ben. Von dort ab nämlich kann
ich mit Manns Detailverarbeitung
nicht mehr mit, mir ist es, als sei
hier seine Kraft erlahmt. Die letz-
ten Kapitel empfinde ich als schwe-
ren Abfall, der mich stellenweise
geradezu an Hauffs „Mann im
Monde", also an den seligen Clau-
ren denken läßt.

Ich kann dem Künstler aus sei-
ner Behandlung des Fürstenthemas
keinerlei Vorwurf machen; er schuf
aus seinen künstlerischen Vorbedin-
gungen heraus und brauchte kaum
auf Nebenwirkungen zu achten, die
mit dem Wesen des Kunstwerks
nichts zu tun haben. Da ich in
Manns Buch keinerlei Verspottung
des Fürstentums sehe, so sehe ich

auch in seiner Darstellung nichts,
was unsre Fürsten herabsetzte, eher
etwas, was sie ehrt. Es steht kein
Stand mehr unter „gottgewollten
Abhängigkeiten", um mit Beth-
mann Hollweg zu sprechen, als der
der Fürsten (man denke nur an
Liebe und Ehe), während keiner
mächtiger, also freier scheint, und
hieraus ergibt sich eine besondrs

Gruppe von Konflikten.

Nun haben wir aber mit der

lcidigen Tatsache zu rcchnen, daß
Manns Buch in weiten, künstle-

risch nicht genug erzogenen Kreisen
als Schlüsselroman mit Hofklatsch

aufgefaßt wird. Wir sind eben
in weiten Kreisen sensationslüstern
und servil. Sogar als „Quelle" da-
für benutzt man's, wie es über-
haupt an unsern kleinen Höfen
zugehe. Wenn ein deutscher Fürst
das falsche Bild, das sich hier-
aus ergibt, zu korrigieren wünscht,
so können wir von ihm lernen, wenn
wir uns auch seiner Kritik des
Buches als Kunstwerk nicht an-
schließen.

Mir war besonders der vorletzte
Absatz in der Einsendung dcs Herrn
interessant. Zunächst, weil er dcut-
lich von einer Vorstellung in fürst-
lichen Kreisen selber zeugt davon,
daß das Volk seine Monarchen „pe-
kuniär gut stellen" müsse, um ihnen
„freieren Ausblick zu verschaffen".
Ich glaube, unser Fürst hätte sich
hier nicht nur auf den Großkauf-
mann berufen können. Aberfluß an
Geld bedeutet ein Herausheben aus
demKampfe umsGeld, und damit
in einer Menge von Fällen: aus
den Kämpfen der Parteien,
Nur sind die Geldinteressen nicht
die einzigen, auch nicht die einzigen
materiellen Interesscn. And dann
werden die Fürsten durch die un°
vergleichlich höhercn Zuwcndungen,
als sie alle andern Diener des
Staats erhalten, doch wohl auch be°

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