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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 17 (1. Juniheft 1910)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0413
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Aber die Sitten, die hier geschildert sind, schreibt uns der Künstler
auf unsre Bitte das Folgende:

„Iedes alte niedersächsische Haus von der Kate an bis zum Vollbauern--
hause hatte denselben Zuschnitt, daher trugen auch die Hausfeste durchweg
den gleichen Charakter. Auf meinem Bilde ist die Dahl (Diele) eines
Vollbauernhauses dargestellt, gesehcn von der großen Haustüre aus. Sonst
ist die Dahl dcr Aufenthaltsort der Hausbewohner, wenn nach den größeren
Arbeiten die kleinen häuslichen verrichtet werden. Heute aber sind die
Tische gedeckt, und auf dem Totenlaken des Hauses steht der offene Sarg.
Das Holz, aus dem er geferiigt ist, hat schon Iahr um Iahr auf dem
Balken gelegen als Notholt und ist längst braungeräuchert.

Es erschien mir am schönsten, den Toten so darzustellen, als wenn er
wie ein Blatt zn erfüllter Zeit, der Natur gehorchend, vom Lebensbaume
abgefallen wäre.

Zu seiner letzten Ehre wird in der Gesellschaft des Toten das Mahl
eingenommen und das Bier getrunken. »Ik wull doch nich gern blot
so in de Eer klcit werden.« Es wäre ihm sonst nicht sein Recht ge-
schchen, und er würde im Grabe keine Ruhe haben; er würde wieder-
kommen, im Hause würde es knacken, und die wilden Hunde würden
heulen draußen vor dem Tor. Düster war die alte Totenfeier nicht.
So tragen die Männer noch keine schwarzen Röcke, selbst beim Küstcr
ist immer noch erst »blot dat Hart swart«, und nur beim Priester ist
das schwarze Mäntelchen üblich. Der Ehrenrock und das Ehrenklcid
waren Erbstücke durch mehrere Geschlechter, sie fehlten nur in den ärmsten
Familien. Die Frauen tragen die Hayke; als Kopfbedeckung die Hülle,
zum Teil prächtig geschmückt, darunter den Stremel als Aberbleibsel
einer weißen Anterhülle und das Bindchen oder Flebbchen. Die Taille,
auf deutsch Knäp genannt, hatte Schöße; dazu wurden schwarze Röcke
und weiße oder blaue Schürzen getragen.

Nach ungeschriebener, aber fest bestimmter Ordnung stellen sich die
Sippen um den Sarg, die Männer zur einen, die Frauen zur andcrn
Seite nach uraltem germanischen Brauch. Wcnn der Küster und die
Kinder ihren Gesang beendet habcn, wird der Pastor den Afdank halten.
Der Knecht wird die Pferde anspannen, dcr Tischler den Sarg zu-
nageln, das Gefolge, Männer und Frauen, wird mit zum Kirchhof gehen
und danach im Hause ihr Tröstelbier beendigen." —

Dann folgen drei Bilder nach Wilhelm Steinhausen, von
dem Gustav Langen in seinem Aufsahe über Lhristliche Kunst spricht.
Da die Originale Radierungen sind, war das „Abersetzen" in unsre
Technik ohnc allzu große Verluste möglich, doch wolle man bedenken,
daß die Vorlagen Blätter recht großen Formates sind, so daß sich
die Energie des Eindrucks bei der Verkleinerung immerhin nicht un°

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