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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 7 (1. Januarheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Schneegestöber
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0018
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springt, am wertesten wirft, das zwingt, herausznholen, was man im
Muskel hat, und Äbung stärkt den Mann — nur faßt es auch so auf
und habt euch nicht, als wäre der bessere Kerl schlechthin, der drei
Zentimeter höher hüpft oder, auf „feinerem" Gebiet, drei Kilometer
mehr in der Stunde autelt. Die Versportung ist aber über die Ge°
biete hinaus zu spüren, auf denen der Mensch mit Armen, Beinen
und Maschinen turut. Sie ist sogar, nur unter anderm Namen, auf
diesen andern Gebieten viel früher schon dagewesen, so daß man
meinen könnte: der Sport sei erst von diesen auf die heut so genannten
Sportgebiete übergegangen. Was ist es als Sport in diesem übeln
Sinne, wenn, beispielsweise, in der Geselligkeit jeder mit mehr Gängen
beim Lssen den andern übertrumpsen will? Oder mit noch «groß-
artigern" Toiletten? Oder mit „berühmteren" Gästen? Was ist das
ganze Starsystem in seinem Wesen andres? Oder die Bilderruhm-
Macherei, bei der immer fünf Iahre lang ein Allergrößter Snobs
Stirnen in Lrkenner-Falten legt, bis der Kunsthandel den Alleraller-
größten serviert? Oder der linsinn der literarischen Vereine, sich
die stillsten Poeten, wenn sie nur Namen, Namen, Namen
haben, vorreden zu lassen, wie selbst den armen Liliencron?
Ob man auch wisse, wie widerlich es ihnen ist und wieviel
mehr nach ihrem Sinne man handekn würde, kaufte man statt
der Eintrittskarten ihre Bücher? Das Abertrumpfen regiert die
Gesellschaft. Wollen wir untersuchen, wieviek davon auch bei den
Lrfolgen der beiden Damen Duncan, des Herrn Dalcroze und son-
stiger Männer und Frauen mitspielt, die an und sür sich durchaus
Gutes und Nützliches bringen, wenn's nur richtig verwertet würde?
Wenn's nur nicht Mode würde nnd deshalb aus Kindern nicht bloß
ihre Glieder und Sinne besser beherrschende Menschlein, sondern auch
Äsfchen machte? . . . Lieber nicht, wir kämen damit zugleich auf
das schöne Erdmannsche Thema von der Kunstheuchelei und ihrem
Nutzen, dieweil ja die Kunstheuchler für so vielerlei gute Dinge unter
den heutigen Verhältnissen leider die eoniribuens plsbs einer Mehr-
heit von „Kunstfreunden" sein müssen, die das halten, was für die
Minderheit der Kunstfreunde stehenbleiben muß, zu denen man keiner-
lei Gänsefüßchen heranzuziehn braucht.

„Nnilltisn tzt, tsnns", die vor- und nachgemacht werden, sind frei-
lich nicht immer Natur in dem Sinne, in dem Lie den Winter als
Naturbringer meint und in welchem wir ihn auch auf geistigem
Gebiet brauchen könnten. Wenn Künstler in Privatgesellschaften gegen
Bezahlung auftreten, so beneid ich sie zwar um ihre Rolle nicht, aber
schließlich schulden sie Kommerzienrats keinen Dank dafür, daß man
mit ihnen renommieren will. Nur: Kommerzienrats beneide ich um
diese Art von Gesellschaften noch weniger. Abrigens kann man ja
jetzt auch Leute mieten, die, wie Oberländers Makartstrauß-Herr, nur
zum Dekorieren da sind. Auch Damen! In Annoncen empfehlen sich
welche, die der Hausherrin als „Inä^-bslp" (so etwas Feines erinnert
natürlich durch den Namen immer daran, daß es nicht deutsch, sondern
von weither ist), die Besorgung von Küche und Keller samt etwaigem
Borg von Porzellan und Silber vermitteln. Aber auch die Liefe-
rung von Geist wird so besorgt, denn man führt die reizendsten

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