Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1911)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0218
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sehr vorteilhaft geltend, daß der Ordner der allgemeineren Briefsammlung
eine künstlerische Persönlichkeit ist: Bedcutungsloses, Veraltendes ward hier
tunlichst ausgemerzt, die erstrebte Vielseitigkeit der Eharakteristik erreicht,
im ganzen ein erneutes, oft übcrraschend ergänztes und dauernd wertoolles
Selbstbildnis Detlevs von Liliencron zusammengefügt.

nissen um, wie sie Liliencron über mich anandere schrieb. An Friedrichs
schreibt er von meinem „durchaus noblen" Lharakter, ein andermal: „Sein
Kunstwart ist wundervoll. Nie haben die Deutschen ein so ausgezeichnetes
Blatt gehabt." „Was mich immer bei Avenarius so sehr freut, ist sein
feinstes, künstlerisches Verständnis." (Die Unterstreichungen sind
von Liliencron.) Wieder ein andermal: der Kunstwart „ist vorzüglich und
gänzlich unparteiisch. Eben: ein vornehmes Blatt". Vier Gedichte
von mir gab Liliencron auch unter den wenigen in seinem „Mäzen"
wieder.

Also: wenn mir unser Poet „von Anfang an auf den Grund meiner
Seele sah", so schien es ihm dort damals ganz leidlich auszusehn. Die
diesem Heft bcigegcbene Photographie ist „meinem sehr lieben Freunde
F. A." gewidmet. Mir gelang es dann zufällig, ihm finanzielle Beihilfe
zum Freiwerden aus Kellinghusen-Abdcra zu verschaffen, wofür er mir
wieder mit überschäumenden Briefen dankte. Während seiner Münchner
Zeit aber lockerten sich unsre Bcziehungen, denn dafür, wie er's dort nach
seinen Briefen an mich trieb, fehlte mir manchmal, was man so „Verständ--
nis" nennt. Wer von seinen jeweiligen Freundcn ihm später den Unsinn
von meiner „innigsten Feindschaft" aufgeredet hat, weiß ich nicht, wenn's
abcr ein ehrlicher Herr war, so war's ein fahrlässiger, denn aus all
den Iahrgängcn des Kunstwarts ist zu beweisen, daß ich für das Vcr-
ständnis des Dichters Liliencron ununterbrochen weiter gewirkt h a b e.
Meister Detlev hat auch schwerlich lange an jene Außerung gcglaubt,
er gab mir in der „Nord und Süd"°Sache nicht nur durch briefliche
Worte Recht, sondern vor allem durch die Tat, denn er legtc auf meine
Aufklärnng hin die Schein-Herausgeberschaft des Nord und Süd-Rat-
gebers nieder. Nun ich bald darauf endlich persönlich mit ihm
zusammentraf, begrüßte er mich, als er meinen Namen hörte, in
mir unvergeßlicher herzlichkeit mit einem „welcher Avenarius, unser
Avenarius?" Noch vor ein und dreiviertel Iahren, am (6. März chvy
schrieb er mir: „So freue ich mich meiner großen Einsamkeit und
freue mich unausgesetzt mciner klcinen Familie. Nnd freue mich immcr
Ihres Kunstwarts, der stets wie eine grüne fruchttragcnde Insel im
wüsten Meere des Lebcns schwimmt." —

Dehmels Aufgabc bei dieser Briefanthologie war, Liliencron zu charak-
terisicren, nicht andrc Leute, die mit ins Blickfcld kamen, ich mache ihm
also wegen des schiefen Lichts, das auf mich fällt, keinen Vorwurf. Hätt
ich ihm Liliencrons Briefe an mich zur Verfügung stellen können, so
wäre das Bild ja anders ausgefallcn. Da ich nicht nur Privatmann bin,
sondern auch Herausgeber einer Zeitschrift, für deren guten Namen ich
zu haften habe, mußtc ich sprcchen — feierlich nehm ich aber natürlich
Liliencrons Lob ebensowenig wie seinen Tadel. Man muß sich bei
jedem seiner Arteilc vor allem fragen: stand er zu dem Beurteilten

(. Februarheft (M
 
Annotationen