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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0252
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nicht kannte: die Güte, das Alles-
vcrstchen und Allesvergeben, das
erst das soziale Mitleid in die
Welt gebracht hat. Tat, Han-
deln, ein dramatisches Geschehen
würden diese Melodie brutal zer-
reißen; sie lebt allein aus der
Geduld, der Nachgiebigkeit, ihr ist
wohl nur in dem ebenen Fluß der
Stnnden, dem sich kein Fels und
kein Wehr entgegenstemmt, um
Anprall oder gar Äberwindungs-
kraft von ihm zu fordern. Einst
schien Andrejews junges brausen-
des Blut gegen den Stachel dieses
Rassengebots lecken zu wollen;
jetzt hat wohl die große Stille auch
ihn unter ihren Bann gezwungen.

Friedrich Düsel

Werningsches

^-nr s. Novemberheft hat Heinrich
OFrese auf die nachgerade ge-
meingefährliche Verbreitnng der
Wcrningschen sogenannten „vater-
ländischen Festspiclc" hingewiesen.
Direktor Werning ist andrer Mei-
nung darüber, und sehr lehrreich
sind seine „Gründe" dafür. „Ich
gestehe zu, daß das Stück seine
Schwächen hat; aber seine ganze
Anlage ist einc derartige, daß der
Text in die zweite Neihe rückt."
Nämlich: „Die durchschlagende Wir-
kung meiner Bilderarrange-
ments" ist „fest und eingewurzelt".
Ia, danu freilich! Wie konnte
Or. Frese denken, es käme bei
vaterländischen Festspielen auch auf
den Text an? Hurraschreien, Rot-
und Grünfeuer, „Die Wacht am
Rhein" und Nachbars in durch-
schlagenden Bilderarrangements,
das tut's!

Ferner „berichtigt" Direktor
Werning noch, daß bei ihm, „ab-
gesehen von gelegentlichen Mit-
arbeitern, für Bureau und Lager
fünf gut salarierte Her-
ren fest angestellt seien". Das

Geschäft geht. Warum geht's?
Darüber teilt er uns etwas mit,
das Frese wohl nicht gewußt hat,
das aber neben der Protektion
durch Autoritäten und Honoratio-
ren die Verbreitung dieses Rum-
mels erklären hilft. Er weist auf die
„großen Reingewinne" hin (das
gesperrt Gedruckte ist immer von
Werning unterstrichen), die er
„den Vereinen zugeführt habe".
Die Vereine hätten, behauptet er,
während der fünfzehn Festspiel-
jahre 500000 Mark durch ihn pro-
fiticrt. Demnach machte also nicht
nur Werning, sondern auch die
deutsche Vereinsmeierei mit diesen
Hochzeiten von sogenanntem „Pa-
triotismus" und echtem Unsinn
ihre Geschäfte.

Von ihrer Schädlichkeit wäre
dadurch nichts vermindert, nur
etwas vermehrt. Werning klagt,
unsre Angriffe auf seine Festspicle
würden von der Sozialdemokratie
ausgenützt. Die Sozialdemokratie
hat ein Recht, gegen solches
Zeug vorzugehn, und die Einsich-
tigen hätten ihr allerscits dafür
zu danken, solange sie selber nicht
das gleiche tun. Zu danken im
nationalen Interesse. Wovon
ging Frese doch aus? „Wir öffnen
dem fürchterlichsten Schund mit
Gruß und Verbeugung die Tore,
sofern er auf seiner Geschäftsreise
eine patriotische Fahne trägt. Und
bilden uns dann ein, er würde von
seinem Vesnch als Gastgeschenk nur
die patriotischen Gefühle zurück-
lassen, nicht auch die Freude am
Schund, nicht auch die Eitelkeit,
die Narretei und das Billigste vom
Billigen: die Selbstanräucherung
im Schwärinen und Schwögen, die
im faulcn Sichausstrecken auf
den eignen Lorbeeren endet. Ar-
beit fürs Ganze brauchen wir,
die stellt Leistungen hin; eine
»Vaterlandsliebe«, die sich von

(. Februarheft (9(( 205
 
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