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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0253
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Musik

Rauch und Duust »uähren« läßt,
ist selber nichts Vesseres und wird
durch bengalische Belcuchtung in
allcn gangbaren Fcuerwerkfarbcn
um kein Saatkorn fruchtbarer." A

Zur^Einmaligkeit" unsrer
Musikgenüffe

an muß mit einem Kunstwerk
eine Weile zusammenleben,
um über seinen Lebenswert im
klaren zu sein. Gerade das fehlt aber
unsern Konzert- und Theaterbe-
suchern: die Nachprüfung des Ur-
teilszuverschiedenenZeiten.Wirwer-
den mehr und mehr dazu gedrängt,
unsre Meinungen aus raschcn Im°
pressionen zu bilden. Die Pro-
gramme unsrer Konzertinstitute, die
Spielpläne unsrer Theater bringen
einen ziemlich feststehenden Kanon
von stets wiederkehrenden Werken,
denen sich eine beschränkte Zahl
von Ausnahmeaufführungen zuge-
sellt. Diese Aufführungen stehen
dann auch im Zeichen der Sen-
sation, eine jagt die andre, eine
bemüht sich, die andre aus unserm
Gedächtnis zu vedrängen. Nltere
Leute erzählen noch, wie man in
ihrer Iugend dieses oder jenes
Stück, diese oder jene Komposition
zehn-, zwanzigmal gehört habe.
Wer nimmt sich heute diese Zeit?
In den romanischen Ländern um»
faßt die Stagione drei bis vier
Opern, die der Italiener mehr-
mals zu besuchen für Pflicht hält.
Wir müssen uns allbereits fragen,
ob das, was bisher den Stolz und
die Aberlegenheit des deutschen
Musikwesens ausmachte, die Weite
des Horizontes, das an sich so ehrcn-
werte Streben, das Bcachtenswerte
aller Zeiten und Völker zu um-
fassen, nicht zum Schaden auszu-
schlagen beginne.

Gewiß tragen die wirtschaftlichen
Verhältnisse einen Teil der Schuld.
Das Budget, das der einzelne für

seinen Vedarf an öffentlichen Mu°
sikdarbietungen aufstellt, Pflegt
ziemlich fest begrenzt zu sein und
reicht zumeist kaum hin, auch nur
die allerwichtigsten der dargebotenen
Ereignisse mitzumachcn, geschwcige
denn, sich auf einen wiederholten
Besuch einzulassen. Wir leiden
unter der Einmaligkeit der Ein-
drücke. Die Folge ist cine unauf-
haltsame Verflachung dcr musika-
lischen Kultur. Und unglücklicher-
weise fordert das Bildungsidcal
des Durchschnittes in der Gegen-
wart nicht, Wcniges gründlich zu
kennen, sondern von allem Mög-
lichen gehört zu haben.

Was hat dcr Wagnerschen Kunst
seinerzeit so gründlich zum Siege
verholfen, als die alle interessierende
Persönlichkeit des Meisters, die die
Leute förmlich zwang, seine Werke
wieder und wieder zu hören! Was
alle Streit- und Erläuterungs-
schriften dcs Zukunftsmusikkrieges
nicht vermocht hätten, das bewirkte
das häufige Vorführen der
zunächst fast unvcrständlich er°
scheinenden Werke. Wie von selbst
lösten sich allmählich die Rätsel.
Da haben wir ein klassischcs Bei-
spiel für die Bcdeutung der Wie-
derholung im Musikleben. And
wenn ihr die Zivilisationsverhält-
nisse jetzt entgegen sind, so müsscn
wir trachten, sie zu ändern.

Es fehlt uns in deutschen Landen
keineswcgs an tüchtigcn Leitern von
Vühnen und Konzertinstituten, die
das Neue schähen und dafür Opfer
bringen. Aber ihre Fürsorge er-
lischt zumeist am Abend der Pre-
miere. Ist die Neuheit gut heraus-
gebracht, so heißt es: vivak sequens.
Ein falsches, ein verderbliches
Prinzip. Noch verdienstlicher, als
das Herausbringen des Werkes ist
das Geschick, es den Menschen in
Erinnerung zu erhalten. Man
wende nicht cin, daß das eine un°

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