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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0262
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derte von Kindern, ein schwärzlich
wimmelnder, lärmender, drängender
Schwarm. Sie rutschen, kugeln,
stoßen sich dcn Hügel hinab, drängen
sich um das bißchen glatte blank-
gescheuerte Fläche, das sie ihre
Rodelbahn nennen, und das Ganze
sieht mehr einem erbitterten Kampfe
ähnlich als einem Winterjungen-
vergnügen, wie man es sonst kennt
und stundenlang in Freude über
idie roten Backen und die leuchtenden
Augen mit ansehen kann. Warum
bedrückt mich dieses Bild hier fast?
Der Iungenlärm hier hat fast
einen gierigen Klang, ganz anders
als der wildeste beim Indianerspie-
len im Busch. Er spricht vom Lech-
zen der jungen Leiber und Seelcn
nach dem, wonach sie nur dürsten
sollten, wie man nach dcm Wasser
verlangt, das einem sicher ist. Und
dieser ungehcure Haufen auf dem
engen Platz erinnert mich an das
rastlose Gewühle der Großcn in den
Geschäftsstraßen und bei ihren „Er°
holungen". Ich brauche gar nicht
die Gesichter dieser Großstadtkindcr
selbst zu sehcn, um die viele in Häu-
sern und dunklen Winkeln erstickte
Iugerrdsehnsucht in ihnen zu spüren,
die nach Sonne, Luft, freien Flächen
zum Rennen und Raufen verlangt.

Der Platz hier, der den Iungen
aus den Vorstadtstraßen doch wenig-
stens ein Surrogat — so kläglich cs
ist — gibt, wird im nächsten Winter
verbaut scin. Wenn ich nicht irre,
wird es ein großes „Vergnügungs-
ctablissement". Aber selbst wenn es
ein Muscum oder crnstes Theater
würde: liegt auf dem neuen Hause
nicht etwas wie cine Schuld; eine
Pflicht, Lrsatz für dcn geraubten
Raum zu schaffen? Ein Teil jener
großen Pflicht, die mehr und mehr
als gemeinsame erkannt wird?
Schafft Spielplätze, Stätten für die
Iugend! Die öffentlichen Mittel
fehlen? Schicßt sie vor! Alles, was

für Volksgesundheit geschieht, hilft
der Zukunft, öffentliche Mittel zu
schaffen. Denn, wie die Amcri-
kaner sagen: Der Knabe ohne
Spielplatz ist der Vater des Mannes
ohne Arbeit. L. M.

Die Förderung des Ge-
schmacks im Gewerbe

(-vv>,ir haben kürzlich hier (Kw.
-»VXXIII, j?) über eine Umfrage
herichtet, welche die Sächsische Lan-
desstelle für Kunstgewerbe bei
Handwerkern, Industriellen und
Künstlern veranstaltet hat. Wie's
in der gewerblichen Produktion um
die Aussichten der Geschmacks-
veredlung bestellt ist, das wollte
man durch diese Erhebung er°
mitteln. Wir haben hier einige
Bedenken gegenüber der Methode,
die bei dieser Umfrage eingeschlagen
wurde, äußern müssen. Wenn aber
auch die unzwcckmäßige Frage-
stellung das Ergebnis beeinträchtigt
hat, es ist, wie wir schon bcmerkten,
trotzdem mancherlei aus den einge-
gangenen Antworten zu lernen.
Einiges davon möchten wir her-
ausfischen.

Das Kernproblem aller Fra-
gen der Qualitätsproduktion, gleich-
viel ob man dabei an technische
oder ästhetische Vervollkommnung
denkt, ist dies: liegt der Schwer-
punkt der Entwicklung beim Koir-
sumenten oder beim Produzenten?
Man ist ncuerdings vielfach ge-
neigt, das letzte anzunehmen, die
Schuld am Verfall des Gcschmacks
ihm beizumessen und ihm auch
die Aufgabe der Konsumentencr-
ziehung zuzuschieben. Zwcifellos
läßt sich vieles für diese Art, die
Dinge zu sehen, anführen. Aber
genauere Beobachtuugen machen
trotzdem wahrscheinlich, daß alle
entscheidenden Wendungen vom
Bedarf ausgegangen sind und wei-
ter von ihm ausgehen werden.

(. Februarheft (M 2(5

Handel und
Gewerbe
 
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