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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 9 (1. Februarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0275
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Osramlampen-Lesezeichen
und tiefere Bedeutung

ich neulich das erste fcrtige
^^Kunstwartheft bekam und auf-
schlug, fand ich darin eine Osram-
lampen-Reklame als Lesezeichen.
Daß sich dies tragische Ereignis in
Heft8unds) wiederholen würde,ahnte
ich nicht, sonst hätt ich vielleicht
den Verlag um ein Aberlegen für
den Fall gebeten, daß er noch
nicht vertragsmäßig gebunden war.
Denn mittlerweile war ein Dutzend
zum Teil humoristischer, zum Teil
schmerzerfüllter Reklamationen ge-
kommen. Das beim Kunstwart!
Theorie und Praxis! Das täte
i ch, der Verfechter ästhetischer Kul-
tur! Usw.

Erstens: ich „tat es" überhaupt
nicht, sondern der Verlag, ohne
daß ich's ahntc. Aber, zwcitens:
er tat's in dcr vollkommen b e--
rechtigten Voraussetzung, daß ich
nichts dagegen einwcnden würde.

Ästhetische Zensur auch der
Anzeigen und Prospekte würdc vor-
aussetzen, daß nicht nur die Ein-
gänge von Inseraten, sondern auch
alle Verhandlungen des Ver-
lags von dcr Redaktion übcr-
wacht würden. Abcr selbst das
würdc noch nicht gcnügen, denn
der Verlag schließt sehr häufig ab
und muß abschließen, ehe die
betreffenden Beilagen her-
gestellt sind, dcren Auflagen-
höhe ja oft von den Herstellern
erst nach den Abschlüssen festge-
setzt wird. So war's in diesem
Falle mit der bekanntlich höchst an-
gesehencn Auer-Gesellschaft, die
zudem ein künstlerisch hergestelltes
Lesezeichen ausdrücklich zusicherte,
worauf der Vertrag für eine An-
zahl von Wiederholungen zustande
kam. Aber das „künstlerisch" kann
man verschiedener Meinung sein.
Aber das Schelten über unsre

Geschmackstyrannei möcht ich
hören, wenn wir auch den Inseren-
ten verwchren wollten, zu zeigen,
was sie für gcschmackvoll halten!
Müßten „wir" dann nicht auch die
angezeigten Waren nachprüfen
und auf allen Bücher-, Bilder-,
Notenanzcigcn nachsehen, ob jedes
Wort der Empfehlung sich mit
unsrer Meinung deckt? So absurd
das in seiner Anmöglichkeit klingt,
es wäre nichts als die gerade Kon-
sequenz des Verlangens nach ästhe-
tischer Zcnsur auch bci Annoncen
und Beilagen.

Das ist ja eben der Anter-
schied zwischen redaktionellem und
Anzeigenteil: dort wird die Mei-
nuug der Zeitschrift gegeben,
hier erwirbt sich dcr Interesscut
mit dcr Bezahlung das Recht,
gleichsam im Vorraum auf seine
Ware hinzuweisen. Er darf nur
sagen, was in anständiger Gesell-
schaft crlaubt ist, und er hat es
so zu sagen, daß jeder weiß: cr,
der Interessent spricht. Das
bcstimmt die Grenzen seincr Frei-
heit. Die Zeitschrift als solche
aber hat darauf zu halten, daß
rcdaktioneller und Anzeigenteil
deutlichst gctrennt sind. Bei un-
zählbar vielen Blättern sind sie's
nicht, sind sie im Gegenteil des
Profits wcgcn auf alle Weise
verschleiert. Beim Kunstwart ist
die Trennung so streng durchge-
führt, wie bei keinem einzigen
Blatte ganz Deutschlands strenger.
Das scheinen uns wichtige Dinge,
weil sie nicht (obendrein ganz leicht
abstellbare) Geschmacksstörungcn,
sondern Fälschungen bedeuten, Täu-
schungen, in gewissem Sinn: Betrug.

Ich bitte die Herren Neklamato-
ren einmal zu vergleichcn, was
unscr Verlag und was andre an
Reklame zulassen. Haben Sie schon
bedacht, den Verzicht auf wie
vicle Zehntausendc jährlich

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