Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1911)
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0277
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ungeübter befindet, auf Mängel ihrer Kunstblätter selbst anfmerksam zu
machen, und so hab ich auch von den Mängeln der Beilage im zweiten
Iunihefte dort im Begleittext schon gesprochen. Unsre Freunde werden
das meiste, was im Text gesagt ist, an diesen beiden Blättern unmittelbar
„exemplifizieren" können.

Die drei Vollbilder nach Katharine Schäffner werden dem
vielleicht wenig geben, der nicht die Kunstwartmappe „Eine neue Sprache?"
oder wenigstens das dieser seltsam tiefen Künstlerin gewidmete Kunst-
wartheft (XXI, 22) kennt. Wer diese Sprache der Phantasie nicht lesen
kann oder nicht lesen mag, immerhin, ihm entgeht viel. Wer sie nicht
unmittelbar versteht, aber zu lesen versuchen will, kommt nicht durch den
Verstand (auch nicht durch ein Spielen mit mystischen Begriffen), er
kommt allein dadurch zum Genuß, daß er in williger Versenkung seine
Phantasie dem Wogen dieser Linien und Massen, dem Frieden und dem
Kampfe dieses Lichtes, dem Auftanchen und Verhauchen der Assoziationen
überläßt, die sich unwillkürlich einstellen. „Bei dieser Künstlerin verbindet
sich meist ein ganz allgemein und traumhaft gesehener landschaftlicher
Antergrund mit Shmbolen, will sagen mit Trägern von Assoziationen
(Flammen, Wellen, Wolken, Augen, Schwertern, Stacheln, RLdern,
Tränen, Kränzen, mikroskopischen Zellengebilden und anderem mehr) oder
mit Bewegungsgefühlen, die schon nicht mehr an Körperliches, die nur
noch an Linien gebunden sind, und mit den eigentümlichen Gefühlen, die
das Zusammenwirken von Licht nnd Schatten in uns anregt." In der
„?Lntasis sestLticL" bäumt sich's mit der Flamme des Genius
herrlich auf, die Welt ist leuchtende Musik geworden, schauendes, leiden-
des, jubelndes, jauchzendes Bewegen, ein Sonnengesang der Begeisterung.
Das „Leiden" ist für den, der diese Sprache lesen kann, „in seiner Schön-
hcit ein schauerliches Werk. Felsen und Wasser und droben Himmel —
aber ist das Felsen und Wasser und droben Himmcl, oder hat sich hier
ein Stück Einsamkeit in lebenden Schmerz verwandelt? . . . Ein Nach-
bild von Wirklichkeit, das gleichsam vergewaltigt und zerschnittcn, das zer-
fetzt wird von Shmbolen des Wehs, das wohl Assoziationen an Lränen, an
Martern, an vergebliches Bäumen, an Stürze hervorruft, aber von
Shmbolen, die wie Traumgebilde leben — es gibt ja keine Möglichkeit,
Nnwirkliches als Wirkliches zu seheu, als durch deu einzigen Zauberer
in der Wirklichkeit, dcn Traum. Das Leiden zuerst, und dann das große
Ende: »d e r T o d«. Die Anordnung der Massen ist beinahe gegen-
stückartig mit der des vorigen Bildcs verwandt. Die Stimmung aber ist
weltweit verschieden, alles ist erstarrt zur Erhabenheit des ewigen Schwei-
gens. And alles ist dabei ganz einfach geworden und in seiner Kaltheit
voller Ruhe."

Um zu so Ernstem auch Leichtes und tzeiteres zu bieten, fügten wir

230

Kunstwart XXIV, 9
 
Annotationen