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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 11 (1. Märzheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0386
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künstlerischen und nicht wissen-
schaftlichen Gepräges.

Man nruß das beachten, sonst
kann nran im Bereich der Kunst
und der Religion keinen Schritt
richtig voransetzen.

Wrr nehmen immer wieder mit
Berwunderung wahr, wie stark in
aller Religion und Weltanschau-
ung das Drängen zur Veranke-
rung im Ilraltertum ist. Uuser
wiss enschaftlicher Geist fragt
sofort, inwiefern das berechtigt sei,
da doch das, was sich so auf ur-
alte Zeugen berufe, wissenschaftlich
nachgeprüft etwas ganz anderes,
ganz anders Bedingtes sei, als das,
was die alten Zeugen mernten.
Wenn der Pietist sein „Losungs-
büchlein" hervorholt und seine
Tageserlebnisse mit den Bibel-
worten zusammendichtet, so sind wir
geneigt, das als müßige Phantasie
oder als eine unnütze Verschwen-
dung der Denkkraft anzusehn. In-
dessen für ihn bedeutet es etwas
andres. Man kann Religion (ge-
wiß nicht erschöpfend, aber doch
etwas Wesentliches dadurch aus-
drückend) als Sinn für Monumen-
talität des eigenen Lebcns definie-
ren, als Sinn für einen erhabenen
Stil in der Lebensführung, womit
natürlich ein Gegensatz zur Phrase
bezeichnet wird. Zu den Mitteln,
diese Monumentalität auszudrücken
und sozusagen für die eigene An°
schauung zu gestalten, gehört die
Bcrufung auf das Altertum mit
dem sanotus borror antiguitalis, den
sie ausatmet.

Es ist das gar nicht so schwer
zu verstehen. Der Künstler weiß
es sehr wohl. Monumentalität be-
deutet stets ein Eintauchen des ein-
zelnen in das Leben und Weben
des ungeheuren Ganzen: der ein-
zelne als Repräsentant des Gan-
zen. And eben dies aus das eigne
Leben anzuwenden ist ja das inner-

lichst Religiöse: der einzelne und
sein Schicksal als Offenbarung der
allumfassenden Gottheit. Wie kann
man das Ganze, das Allumfassende
plastisch anschauen? In der Vor-
stellung, daß derselbe Nuf, der jene
Zeit durchdrang und aufrief, die
wir uns — nicht völlig mit Un°
recht — als einfacher, primitiver
und als unsre gemeinsame Ver-
^ gangenheit vorstellen, daß der auch
noch uns ruft und versammelt. Wo-
bei das Begleitgefühl von der lan-
gen seit jenem Ruf vergangenen
Zeit ein lebendiges Symbol der
Weltzeit überhaupt abgibt.

Daher die unmittelbar ins Blut
gehende Wirkung des Kehrreims „in
saeeulr sasLuIorum", und „von
Ewigkeit zu Ewigkeit", oder jenes
klangvollen Spruchs: „Wir haben
ein festes prophetisches Wort", ja
auch der viel mißbrauchten Be-
rufung: „Es stehet geschrieben".

Auch ein völlig neuer religiöser
Mythus — geseht unsre wissenschaft-
lich-einseitige Zeit wäre stark ge-
nug zu ihm — würde von selbst sich
doch wieder einen Weg ins Ar-
altertum zurückbauen, würde wie
ihre Pfeile in die fernste Zukunft,
so ihre Anker in den Grund der
fernsten Vergangenheit senken. Denn
das wird noch auf lange hinaus die
einzig wirklich plastische Darstel-
lung einer Reihe von religiösen
Grundgefühlen bleiben. Bonus

Lyrisch Neuland?

Ohrisckw Dichtungen von fünfzehn
L-jüngeren Zeitgenossen sind zu
einem neucn Buch* vereinigt, das
Beachtung verdient. Dcr Sammel-
band ist nur auf etwas umständ-
liche Weise an die öffentlichkeit ge°
langt. Herausgegeben hat ihn
Paul Friedrich; ihm gab den

* Berlin, im Verlag Neues Le°
ben, Wilhelm Borngräber.

Literatur

(. Märzheft (9((

3(9
 
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