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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0157
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Anter den Dresdnern halten sich
Georg Lührig als Zeichner kraft der
monumentalen Breite seiner Striche
nnd als Radierer Georg Iahn auf
der anerkannten Höhe.

Von den nahezu zweitausend
Kunstwerken der Ausstellung ge-
hört etwa die Hälfte der Malerei
an. Die Summe von Leidenschaft,
Geduld, Opfermut und Sehnsucht,
die in diesen Schöpfungen nieder-
gelegt ist, mit einer Handvoll klin-
gender Worte „würdigen" zu wol-
len, hieße sie verhöhnen. Wer ein
Arteil in der Nuß haben will, dem
sei dies gesagt: als Zustandsbild ge-
nommen kann dieser Querschnitt
durch die deutsche Malerei der Ge-
genwart kaum hoch genug gewertet
werden. DasGesamtniveau liegt we-
sentlich überm Mittelmaß. Schroffe
Höhen begegnen selten; aber auch
die flache Ebene bleibt dem Wand-
rer fern. Damit müssen wir uns, als
Zeitgenossen wie als Betrachter,
heute begnügen. Erich Haenel

Bilder-Ausweisungen

enn Bilder, die von der Iury
schon angenommen sind, aus
sogenannten Anstandgründen nach-
träglich entsernt werden, so er-
regt das jedesmal großes Auf-
sehen und viel Gespräche. Etwas
Anerhörtes bringt aber auch der
neueste, der Dresdner Fall nicht,
und man ist entweder unaufrichtig
oder schlecht unterrichtet, wenn
man gerade aus diesem Anlaß über
die braven Sachsen spottet. Nicht
nur an der Elbe, auch in Wien,
auch im alleraufgeklärtesten Berlin,
auch in der deutschen Kunstmetro-
pole München, ja sogar in der
Stadt, die da ist das Kunstlicht der
Welt und außerdem Hauptstadt
einer Republik, im heiligen Paris
kommt gelegentlich dasselbe, wie in
Dresden, und Schlimmeres vor.
Wer Kunstausstellungen seit langer

Zeit besucht, weiß außerdem, daß
man von einer Verschlechterung
dieser Verhältnisse nur faselnder-
weise reden kann: es wäre noch in
den achtziger Iahren, wäre selbst
auf der Pariser Weltausstellung
von MZ unmöglich gewesen, ge-
wisse Bilder öffentlich vorzuführen,
die jetzt anstandslos gezeigt wer-
den. In private Kunstausstellun-
gen und in die solcher Vereinigun-
gen, die nur unter Verantwortlich-
keit ihrer Veranstalter stehen, hat
meines Wissens seit zwanzig Iah-
ren auch keine Obrigkeit dreinge-
redet. In Dresden hat das bei
der Großen Kunstausstellung jetzt
ein Regierungsvertreter getan —
mit rechtsgültigem Anspruch, weil
sich die Regierung bei ihrer Zu-
stimmung zu einem beträchtlichen
Staatszuschuß worbehalten hatte,
ihr anstößig Erscheinendes abzu-
lehnen. Dadurch gab man ohne
wirkliche Not Gelegenheit, der-
jenigen heurigen Kunstaüsstellung,
in der ausstellungstechnisch die
meiste und beste Arbeit von allen
steckt, herabzusetzen. Das ist be-
dauerlich, aber die Veranstalter
trifft der Vorwurf nicht. And die
Regierungsvertreter trifft eigentlich
auch keiner, denn daß ein Nicht-
künstler die beanstandeten Bilder
nicht geeignet zur öffentlichen Aus-
stellung hält, das ist ihm auch
ohne weiteres zu glauben.

Selbst unter den Künstlern wird
kein Vernünftiger bestreiten, daß
Ausstellungen, die auch von rein
stofflich empfindenden Anreifen und
Angeübten in Menge besucht wer-
den, nicht alles zeigen können,
was mit Künstlerhänden für Künst-
leraugen gemalt wird, auch wenn
es künstlerisch sehr interessant ist.
Es ist Frage des Taktes, Bild-
werke auszuschalten, die jene Vielen
nur mit Mißverständnissen des
Gefühls aufnehmen können, und

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