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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0161
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Grazie unsre Bewunderung erregt,
fühlen wir dort ein schwaches An«
lehnungsbedürfnis oder zarte Be->
scheidenheit nach, ebenso wie uns
manche mnsikalischen Werke auf--
jauchzen und jubeln lassen, uns
andre still und andächtig stimmen,
wieder andere eine tiefe schmerzvolle
Sehnsucht wecken. Es sind ein-
ander in weitgehendem Maße ent-
sprechende Mittel, nur daß sie ein-
mal das Auge, das andere Mal das
Ohr vermittelt. Rhythmus ist bei->
den gleicherweise gemeinsam. Sol-
cher Pflanzenkunst ist es wie der
Musik noch gegeben, Bewegungen,
Crescendo und Decrescendo, zum
Ausdruck zu bringen: wie Blätter all-
mählich hervorsprießen, sich entfal-
ten und verwelken, wie zarte jugend-
liche Knospen nach wunderbaren
Veränderungen zu üppig strotzen-
den Früchten reifen, wie Ranken
emporstreben, suchen und finden.
Aberall sind es edle Genüsse, die das
Herz voll Andacht stimmen können.

Manche Pflanzen zeigen in
ihrem ganzen Aufbau eine strenge,
leicht erfaßbare Architektur, beson-
ders die pyramidal gewachsenen, wie
der Winterling, das Buschwindrös-
chen, die Einbeere, das Moschus-
kraut, der Froschlöffel, die Taub-
nessel. Bei den meisten Pslanzen
tritt aber der Rhythmus nur in
ihren Blüten und auch in deren
Ständen klar zutage, während ihrem
Gesamtaufbau oft ein komplizier-
tes Gesetz zugrunde liegt, das nur
dem sorgfältigen Beobachter sinn-
fällig erscheint.

Als die ersten Landschaftsmaler
ihre stimmungsvollen Werke an die
Sffentlichkeit brachten, fanden sie
nur wenige empfängliche Herzen da-
für. Die große Schar der Kunst-
liebhaber war eben daran gewöhnt,
daß irgend etwas aus dem mensch-
lichen Leben dargestellt war, sie ver-
langten nach literarischem Inhalt

und fanden die neue Kunst leer und
nichtssagend. So wird sich mög-
licherweise auch jene Kunst, welche
die einzelnen Pflanzen behandelt,
ihren Weg erst erkämpfen müssen,
Aber wie man es gelernt hat, in
der stillen Landschaft den mannig-
fachen Stimmungen der Natur zu
lauschen, sie in der Landschafts-
malerei unter allmählicher Steige-
rung ihrer Reize zur Darstellung
zu bringen, so wird man auch ler-
nen, sich in die natürliche Schön-
heit der Einzelwesen zu vertiefen
und sie künstlerisch zu beleben. Da-
mit würden wir nur das anstreben,
was der künstlerisch hochentwickelte
Iapaner seit langem erreicht hat.
Es ist nicht allein der Inhalt, auf
den es ankommt, erst die Art seiner
Darstellung vollendet das Kunst-
werk. Paul Dobe

Der Deutsche Werkbund

hatte nach zwei Iahren weniger
aktiven Lebens dieses Iahr in Wien
wieder eine sehr glückliche Tagung.
Alle Besucher brachten ihre Befrie-
digung über das erste Iahrbuch
des Deutschen Werkbundes mit, das
vierzehn Tage vorher erschienen
war. Das war einmal wieder das
Zeichen einer Tat, nachdem bisher
viel schöne Reden gehalten, viel
Anternehmungen begonnen und
wieder aufgegeben worden waren
und die Geschäftsführer gewechselt
hatten. Die jetzt erfolgte Ver-
legung der Geschäftsstelle nach Ber-
lin war ein Gebot der Notwendig-
keit, denn das Wirkungsfeld des
Deutschen Werkbundes hat sich stark
erweitert. Schon kurz nach seiner
Proklamierung begrüßte man den
Werkbundgedanken überall auf das
freudigste. Die kaufmännischen
Kreise waren bereit, sich des Rates
des Werkbundes zu bedienen, es
wurden überall Kurse mit dem Ziele
der Geschmacksbildung des Kauf-

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