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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0163
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sende Veranstaltungen getroffen.
Eine wunderschöne kunstgewerbliche
Ausstellung gab im österreichischen
Museum für Kunst und Industrie
ein Bild von den vorzüglichen Lei-
stungen der Wiener Mitglieder und
zeigte von neuem, daß sich unter
ihrem Linfluß eine örtliche Tradi-
tion von völlig geschlossener Stil-
eigentümlichkeit gebildet hat. Die
Bedeutung ihres Schöpfers Ioseph
Hoffmann trat besonders hervor bei
der Besichtigung seiner zahlreichen
Landhäuser auf der Hohen Warte,
die einen Glanzpunkt der Wiener
Veranstaltungen bildete. Das letzte
dort von ihm gebaute Haus Ast ist
vielleicht die reifste Leistung der heu-
tigen häuslichen Baukunst über-
haupt. Ein Teil der Besucher be-
sichtigte statt der Häuser auf dsr
Hohen Warte die Veranstaltungen
des Gewerbefördernngsamtes und
die Schulausstellung der Fortbil-
dnngsschulen von Wien. In den
Verhandlungen nahmen diesmal die
Vorträge einen geringeren Raum
ein als sonst, was gewiß zn be-
grüßen ist. Tagungen einer Vereini-
gung, die hauptsächlich aus Künst-
lern und schaffenden Kräften be-
steht, sollten mehr das Gepräge
einer sich anregenden Geselligkeit
als einer Folge von tiefgründigen
Vorträgen tragen. Der freundschaft-
liche Anstansch von Meinungen,
die in heiterem Umgange gewon-
nenen Anregungen gewähren ge-
rade in einer Gesellschaft von Mit-
gliedern, die als Künstler notwen-
digerweise individualistisch veran-
lagt sind, mehr Vorteil als lang-
atmige Reden. In Wien gipfelte
der „Tag" in einem großartigen
Bankett, das die Stadt Wien im
Rathause gab.

Das wichtigste Ergebnis der
Wiener Tagung ist vielleicht die
Abspaltung der österreichischen Mit-
glieder in Form eines österreichi-

schen Werkbundes. So sehr sie vom
Standpunkte des Deutschen Werk-
bnndes zu bedauern sein mag, gute
Gründe verlangten sie: eine wirk-
lich fruchtreiche Tätigkeit läßt sich
in österreich infolge der Nationali-
tätenfrage nur auf diese Weise er-
reichen. Natürlich soll ein Kartell-
verhältnis bestehen bleiben. And
zieht man in Betracht, daß auch
in Holland, in der Schweiz, ja auch
in den nordischen Ländern ähnliche
Bestrebungen wie die des Deutschen
Werkbundes lebendig und im Be-
griffe sind, sich zu lokalen Vereini-
gungen im Sinne des Deutschen
Werkbundes zu verdichten, so ge-
winnt die Tatsache eine neue Be-
deutung. Sie eröffnet den Ausblick
darauf, daß in all den Ländern,
die an der modernen Ausdrucks-
kultnr mitarbeiten, sich Organisa-
tionen bilden, die demselben Ziele
zustreben und deren Kartellierung
ein deutliches Zeichen für die Be-
deutung und den Umfang dieser
Kulturbestrebnngen sein würde.

B ryrische Gewerbeschau

ie Reklame sür die Bayrische
Gewerbeschau, die erstaunlicher-
weise Rudolf Mosse in den Händen
hat, wird jetzt so anreißerisch ver-
waltet, daß ein Mann von Ge-
schmack sich erst entschließen muß,
trotzdem hinzugehn. Tut er das,
so wird er zunächst enttäuscht sein:
ein großer, bunter Markt, so scheint
ihm, und weiter nichts. Er sollte
sich aber auch von diesem Ein-
druck nicht abschrecken lassen — denn
er hat einen Markt sehr eigener
Art vor sich, einen, dessen Markt-
charakter zwar nicht nur nicht ver-
schleiert, sondern gerade herausge-
hoben ist, dessen Waren aber eine
Fury passiert haben, und der durch-
aus nicht allein „Geschäfte" im ge-
wöhnlichen Sinne verfolgt. Man
hat sich sehr ernsthaft bemüht,

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