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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 24 (2. Septemberheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0494
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seralfingen wirkten. Wir bilden den
Lesern ein paar Proben davon ab.
Sind das nicht in all ihrer Be-
scheidenheit wirklich anmutige
Sachen? An rechter Stelle können
sie sehr liebenswürdig dreinsehn.
Nur täusche man sich in der ersten
Freude nicht: derartiger „rechten
Stellen" gibt es in einem modernen
Haushalt durchaus nicht viel; wer
immer auf die Gesamtwirkung aus-
geht, wird das bald merken. Und
an falschen stören die schwarzen
Eisenbildchen, so fein sie an sich
sind, das, was immerdar die Haupt-
sache im Raum bleiben muß: die
Ruhe.

Ja, wenn's aus Paris ist!

s sind, objektiv gerechnet, etwa
, fünfzehn Iahre der Entwick-
lung, um die das deutsche Kunst-
gewerbe das französische überflügelt
hat. Da aber Frankreich voraus-
sichtlich dieselbe Entwicklung in
langsamerem Tempo zurücklegen
wird, beträgt der deutsche Vor-
sprung in Wahrheit ein ganzes
Menschenalter voll Kamps, Arbeit
und Erfolg. . . . Sucht man das
neue Kunstgewerbe in Frankreich
auf, so findet man keine Werk-
stätte, in der unter gegenseitiger
Förderung die verschiedenen Fak-
toren guten Willens zusammen-
arbeiten, sondern aus der einen
Seite die noch völlig ungeklärten,
aber im Grunde guten Ideen der
Künstler, auf der andern der
lächelnde Stumpfsinn des Nichtver-
stehens, das dumpfe Beharren mit
seinem passiven, aber recht fühl-
baren Widerstand, die kompakte
Masse der Hemmungen: Staat, In-
dustrie und Käufer. Die Ideen der
Künstler können sich nicht klären,
so lange sie von der praktischen Be-
tätigung zurückgehalten werden.
Anderseits haben ungeklärte Ideen

begreiflicherweise wenig Werbe-
kraft... Frankreich hat nur dieWahl,
entweder eine Revolutionierung
des Kunstgewerbes in modernem
Sinne durchzusetzen, und dazu wird
es einen Weg einschlagen müssen,
den Deutschland mehr oder weni-
ger vor ihm gegangen ist; oder es
wird das deutsche Vorbild grund-
sätzlich abweisen, und dann wird
es nie zu einer echten inneren Aber-
windung des Historizismus fort-
schreiten."

Diesmal schildert das einer so in
der „Deutschen Kunst und Deko-
ration", früher haben es andre im
Kunstwart und anderswo geschil-
dert, sogar Franzosen selber, denn
leugnen läßt es sich schon lange
nicht mehr. Aber ob es hundertmal
gesagt wird, auch der deutsche
Bürger ist in neun von zehn Exem-
plaren trotz allem auch heute noch
des heimlichen Vermutens, daß
„eigentlich" doch erst das was rechtes
sei, was an der Seine seinen Pas-
sierschein bekommt. Und wenn beim
Kunstgewerbe die Sache so liegt,
daß nur eine Liebes-Draufgabe an
Sachunkenntnis die Augen blind
machen kann, bei der Kleider-
mode wenigstens, meint man,
müßt es doch anders sein, und unsre
Modeliteraten und Modeblattlese-
rinnen drehen sich nach Paris, wie
Kuhblumen nach der Sonne. Die
blödsinnigsten Verkrüppelungs -
Imitationen und die hanswurstig-
sten Putzereien beäugeln sie ge-
rade heutzutag wieder als chick,
nicht etwa bloß schick, da sie aus
Paris kommen. Auch dann, wenn
sie im Grunde nur vertändeltes
Deutschgut sind, das sich zum unver-
tändelten verhält, wie der Text von
Gounods Faust zum Goetheschen.
Als wenn der französische oder
irgendein andrer Kunstgewerbegeist
gar nicht aus einem Leben käme,
sondern gleichzeitig bei der Woh-

Kunstwart XXV, 2H
 
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