gossest, „Welt" genoß, oder, wie man sich auszudrücken pflegt, im „Skrudel
der Weltlust schwamm": noch unverdienter hättest du dann leiden müssen,
und noch nutzloser! Gewiß würdest du mich verdammt haben. 'Ebenso
gewiß aber, daß du damit aus Granit gebissen hättest; ich fühlte mich voll be-
rechtigt zu dem, was ich tat, und häkte dir dies ohne Ilmschweise zu verstehen
gegeben.
Die Sache kam so. 2ch hatke mich überspannt in den lehten Iahren. Ich
bin, wie du weißt, der Welk gegenüber niemals blasierk, noch weniger so
töricht gewesen, sie zu „verachten". Ich hielk vielmehr Menschen meiner
Anlage stets sür unmaßgebliche Abseitsexemplare, deren Weltuntüchtigkeit
nicht Tugend, sondern NÜchtkönnen bedeutet. Allein es hatte sich mir sehr
früh schon über die gang-und-gäbe Welt, der ich in nichts entsprach, hinaus
eine andere, eigene auscrbaut, die ich als gemäß empsand; uud diese cigene
Welt, die nichk etwa Feind der anderen, sondern nur eben eine andere als
diese war, sich mit der Zeit zu meiner so abgründig vertrauten Heimat ausge-
bildet, daß ich mir zuletzk, weun ich zum Beispiel eine nächtliche Straße im
Reklamelicht sah, oder Menschen, die ins Kino gingen, oder die Vorhalle
cines Hotels, oder ein Liebespaar im Stadtpark, geradezu verduHL an den
Kopf griss: „Was, alldies gibk es noch immer? Ia, wo bin ich denn?"
Eine so klufthaste Enksremdung aber, das sühlte ich selbsi, ging zu weit.
Gerade der Mensch wie ich, dem cs also gar keine Schwierigkeit bedeutet, „der
Welt abhanden zu konnnen", sollte die Kunst üben können: die Wurzel, die
seine Welt mik der allgemeinen verbindet, nicht zu durchschneiden! Ich schalt
mich daher einen nackten Egoisten; was denn anderes betrieb ich mit meiner
Eigenbrötelei, als luxuriösen Selbstkultus! Zudem bereitete mir die zuneh-
mcnde Vereinsamung Schmerz: ringsumher keine Seele mehr, die ich anzog!
Endlich aber, — gut: es mag zu einem richtigen Künstlerleben gehören, srekten,
hungern, frieren, sich vergeblich das Herz aus der Brust heraus lieben und
dazu lauter Bilder malen zu müssen, die kein Mensch kaust! Wenn man
dies alles aber ununterbrochen zwanzig Iahre lang mitgemachk hat, bekommt
man es endlich, auch als elastischester Idealist, bis zum Hals heraus satt!
Daher, als da plöHlich mein Onkel starb und mir viertausend Mark hin-
Lerließ — du erinnerst dich vielleicht noch der „Monatsrenke", mik der ich aus-
zukommen hatte! — rmd wenige Tage später ein Amerikaner meine zwci
verrücktesten Bilder kaufte und bar bezahlte....
Rkein, Edith! Ich finde es vollkommen verzeihlich, daß ich da endlich davon-
lief und kurzentschlossen „genießen" ging!
Genießen? Ich möchte so sagen: es trieb mich vor allem ein gewisser dunkler,
nein, noch besser: negativer Ehrgeiz dazu! Die Ambition, zu versuchen, ob
nicht auch ich es zustandebrächke, so „problemlos" zu leben, wie die Millionen
derer, die das Geld dazu haben; denn, so viel wußte ich schon im voraus: es
genügt hiezu nicht schon ein blöder Schädel und ein blödes Herz; vielmehr
brauchk es in erster Linie Geld dazu! Einfach den Minderwertigkeitskompler
meines Bewußtseins, ein Fremdling in der „Welt" zu sein, wollte ich mir
also wegkurieren!
Und, merkwürdig, gerade dies gelang glänzend! Jch habe zwar, natürlich, nur
Zivilisation genossen in diesen Weltmonaten; um Kultur zu genießen — und
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der Weltlust schwamm": noch unverdienter hättest du dann leiden müssen,
und noch nutzloser! Gewiß würdest du mich verdammt haben. 'Ebenso
gewiß aber, daß du damit aus Granit gebissen hättest; ich fühlte mich voll be-
rechtigt zu dem, was ich tat, und häkte dir dies ohne Ilmschweise zu verstehen
gegeben.
Die Sache kam so. 2ch hatke mich überspannt in den lehten Iahren. Ich
bin, wie du weißt, der Welk gegenüber niemals blasierk, noch weniger so
töricht gewesen, sie zu „verachten". Ich hielk vielmehr Menschen meiner
Anlage stets sür unmaßgebliche Abseitsexemplare, deren Weltuntüchtigkeit
nicht Tugend, sondern NÜchtkönnen bedeutet. Allein es hatte sich mir sehr
früh schon über die gang-und-gäbe Welt, der ich in nichts entsprach, hinaus
eine andere, eigene auscrbaut, die ich als gemäß empsand; uud diese cigene
Welt, die nichk etwa Feind der anderen, sondern nur eben eine andere als
diese war, sich mit der Zeit zu meiner so abgründig vertrauten Heimat ausge-
bildet, daß ich mir zuletzk, weun ich zum Beispiel eine nächtliche Straße im
Reklamelicht sah, oder Menschen, die ins Kino gingen, oder die Vorhalle
cines Hotels, oder ein Liebespaar im Stadtpark, geradezu verduHL an den
Kopf griss: „Was, alldies gibk es noch immer? Ia, wo bin ich denn?"
Eine so klufthaste Enksremdung aber, das sühlte ich selbsi, ging zu weit.
Gerade der Mensch wie ich, dem cs also gar keine Schwierigkeit bedeutet, „der
Welt abhanden zu konnnen", sollte die Kunst üben können: die Wurzel, die
seine Welt mik der allgemeinen verbindet, nicht zu durchschneiden! Ich schalt
mich daher einen nackten Egoisten; was denn anderes betrieb ich mit meiner
Eigenbrötelei, als luxuriösen Selbstkultus! Zudem bereitete mir die zuneh-
mcnde Vereinsamung Schmerz: ringsumher keine Seele mehr, die ich anzog!
Endlich aber, — gut: es mag zu einem richtigen Künstlerleben gehören, srekten,
hungern, frieren, sich vergeblich das Herz aus der Brust heraus lieben und
dazu lauter Bilder malen zu müssen, die kein Mensch kaust! Wenn man
dies alles aber ununterbrochen zwanzig Iahre lang mitgemachk hat, bekommt
man es endlich, auch als elastischester Idealist, bis zum Hals heraus satt!
Daher, als da plöHlich mein Onkel starb und mir viertausend Mark hin-
Lerließ — du erinnerst dich vielleicht noch der „Monatsrenke", mik der ich aus-
zukommen hatte! — rmd wenige Tage später ein Amerikaner meine zwci
verrücktesten Bilder kaufte und bar bezahlte....
Rkein, Edith! Ich finde es vollkommen verzeihlich, daß ich da endlich davon-
lief und kurzentschlossen „genießen" ging!
Genießen? Ich möchte so sagen: es trieb mich vor allem ein gewisser dunkler,
nein, noch besser: negativer Ehrgeiz dazu! Die Ambition, zu versuchen, ob
nicht auch ich es zustandebrächke, so „problemlos" zu leben, wie die Millionen
derer, die das Geld dazu haben; denn, so viel wußte ich schon im voraus: es
genügt hiezu nicht schon ein blöder Schädel und ein blödes Herz; vielmehr
brauchk es in erster Linie Geld dazu! Einfach den Minderwertigkeitskompler
meines Bewußtseins, ein Fremdling in der „Welt" zu sein, wollte ich mir
also wegkurieren!
Und, merkwürdig, gerade dies gelang glänzend! Jch habe zwar, natürlich, nur
Zivilisation genossen in diesen Weltmonaten; um Kultur zu genießen — und
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