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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1928)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Bücher-Brief zu Weihnachten
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0231

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sre im Bett lagen und das LichL ausgelöscht war, schliefen sie doch alle so-
fort ein.

2lls Vattr und Mutter noch ein wenig in der Stube aufgeräumt hatten und
wieder zu ihnen zurückkamen, lagen die Mädchen eingefchlummerk mit den
blonden Köpfen friedlich auf demselben Kissen. Zwifchen ihnen im Schweflern-
bett war die Kahe und fchnarchte, und der rote und der blaue Ball lagen am
Boden.

Bei Ola fchaute die Heldentat unter dem Kopskissen hervor, und Einar
fchlief, wie ein richtiger Krieger fchlafen soll — mit seiner Pifiole in dcr Hand.

Tribüne

Bücher-Brief zu Weibnachten

Von Paul Alverdes

I.

/O^ie haben mich, mcine verehrre Freundin, mit Jhrem Austrag in keine ge-
^^ ringe Verlegenheit gesetzt. Sie bitten mich um eine Lifte von Büchern, —
eine möglichft lange und reichhaltige, >vie Sie sagen, nach der Sie sich beim Einkauf
von Weihnachtsgefchenken für Jhre Freunde und Verroandten etrva richten könnten.
„Mischen Sie nur getroft das Gegensätzlichfte zusammen," fchlagen Sie mir weiter
vor, „je bunter, defto besser, denn Sie wissen ja, daß der Krcis der Menfchen, die
ich beschenken will oder muß, ein recht großer ift und daß sich Leute darunter
befinden, die ich nicht zusammen an meinen Tifch bitten kann, ohne den Ausbruch
von Feindseligkeiten fchon während der Suppe bcfürchten zu müssen."

Nun, was die Buntheit und Fülle angeht, meine Verehrtefte, so nehmen rnir die
deutfchen Verleger diese Sorge einftweilen noch immer ab. Seit Wochen liegen
die Tifche und Stühle in meinem Zimmer voller Neuerscheinungen, und noch ver-
gehl kein Tag, an dem nicht die Poft oder ein Berlagsbote mich aufö neue — ich
will eS nicht für jeden Fall gelten lassen — beglücken. Zft es die Möglichkeit,
denke ich oft, wer soll denn das alleü kaufen oder gar lesen? Doch fcheint daS
Vertrauen in die Kaufkraft — um vom gnten Willen gar nicht erft zu reden -—
und in den Lesehunger des deulfchen Publikums unerschüttert, wenngleich die Buch-
händler klagen und die Hände ringen, und wenngleich cs ganz gewiß ift, daß diejenigen
Bücher, die eü am wcnigften verdienten, noch immer am allerfchlechteften gehcn.

Mehr Sorge macht mir Zhr Wunfch nach kurzen Anmerkungen zu den vorzu-
fchlagenden Schriften. Zwar lichten sich die Stapel der Eingänge immer schneller,
als zu befürchten war, denn sieben vo:n Dutzend erweisen sich gleich beim Anblättern
als Makulatur. Illbrigens versuchen einige Verleger einem auch dieseS Anblättern
von vornherein unmöglich zu machen, indem sie einem als Rezensionüexemplare
getroft Brofchüren überreichen, die nicht einmal aufgefchnitten sind. Die Meinung
hierbei ift offenbar die, daß der Verleger dem Rezensenten eigentlich cin Geschenl
macht, wofür sich dieser mit dem mühseligen Aufsäbeln, Durchlesen und dem
Verfassen einer möglichft ausführlichen Anzeigc zu revanchiercn hat. Zur Beloh-
nung darf er dann eine nach dem erften Lesen ganz natürlicherweise fchon auS allen
Fugen geratene und nicht einmal mehr zum Verleihen geeignete Buchruine sein
eigen nennen, denn das Geld für einen nachträglichen Einband pflegt bei Anzeigen
ja nicht erzielt zu werden.

DieS beiseite, so bleibt aber auch nach dem Weglegen der bloßcn Makulatur immer
noch so viel Ernfthaftes, so viel Gelungenes oder doch auf eine rühmliche Arl

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