Sicherheit sind öie Scherben, öie Eröe, die Stellage, der Holzverschlag gegeben.
Man fühle, wie sie da unten im Keller stehen, aus ihm auftauchen, das Licht
einfangen und eine Welt für sich werden: versunken und in sich besthlossen, auch
zwiegesprächhaft gestimmt mit sich und ihrer Umgebung.
Blumenfenster: Hier hat das Licht das Wort und die Macht. Wie erfüllt
es Vorhänge und Gewände, wie spielt es über den Pflanzen und Töpfen, und
welches Gekringel und Gezüngel wird darüber in den Blumen lebendig! Uber deren
meisterhafte Charakteristik hinaug ist noch erstaunlicher deren Bewegtheit, jede in
sich und zu ihrer Nachbarfchaft und zum Ganzen. Man muß hier wirklich jeder
einzelnen Form nachgehen, um ihr Sich-Winden und -Drehen, -Spreizen und -Wie-
gen, ihr Sich-Entfalten und Frohwerden ganz wahrzunehmen. Welche sonnige,
heitere Welt tut sich vor uns auf! — So meistert Lauterburg die verfchiedensten
Stimmungen.
Herbstlicher Garten: Die klare Lichte und Luftigkeit des Herbftes öurchzuckt
das spärlich werdende Laubwerk, fchafft ein helldunkel Gelocke in den Zweigen und
lebendigste Beweglichkeit. Die DarstellungSmittel hören auf, Schwarz-Weiß zu sein,
und doch ruht alle Wirkung gerade darin; der Wechsel der Töne macht das Blatt
geradezu farbig. So sehr das Ganze von impressioniftifcher Unmittelbarkeit sprüht,
ist doch alleS Gegenständliche in sich verdeutlicht und für sich verkörpert. Wieviel
Weite des RaumeS und wieviel Tiefe, wie ornamental durchflochten, wucherig reich
ift er zugleich!
Umschau
,,Das neue Denken"*
er umfassendste Name dessen, wae
Herrigel bekämpft, heißt: Jdealis-
muS, und sein Kampf geht darum, jenem
neuen Denken Naum zu fchaffen, das
sich in unseren Tagen mit quellender
Kraft gegen den „autonomen Geist" er-
hebt. Die Frage ift völlig gleichgültig,
wie weit möglicherweise dieses neue, die-
ses dynamifche und funktionelle Denken
in die Zukunft hineintragen mag: genug,
daß wir ihm im Augenblick auf keine
Weise ausbiegen können. Denn das Pro-
blem deS neuen Denkens ist uns m'cht
von außen gestellt; gerade in den Wäl-
öern unserer Einsamkeit begegnen wir
ihm, es ist mitten in unserer Brust ent-
sprungen, eS ist für den Menfchen von
heute konstitutionell. Und so sehr die
neue Denkweise sich gegen den selbst-
herrlichen Geist kehrt, so ist sie doch ge-
rade denjenigen Menfchen aufgegeben,
öie am entschiedensten unter des Geistes
Gesetz ftehen. S i e gerade dürfen m'cht
mehr „Geistige" des alten Schlages sein.
Sie gerade müssen spüren, daß eine
alte Stunde vorbei und eine neue im
* Zu Hermann Herrigels Buch, Verlag
Lambert Schneider, Berlin-Dahlem.
Beginn ist; eine Stunde, in der es
sich um die Einweltung des Geistes han-
delt, um die nüchterne Anerkennung der
realen menfchlichen Situation; eine
Stunde, in der es der Wille des Geistes
selbst ist, sich vornehmlich in seiner Stoff-
gebundenheit, in seiner Unterworfenheit
und Bezogenheit zu fühlen.
Wir haben gerade Lessing gefeiert, Les-
sing, der am Beginn deS deutfchen Jdea-
lismuS fteht und seine große Stunde
heraufführen half. Es war aber fast
erschreckend, zu sehen, wie ahnungslos
die'allermeisten Festredner und -fchrei-
ber diesen an seine Stunde gebundenen
Mann ohne weiteres in unseren Tag
glaubten herübernehmen zu können. Was
Hölderlin gegenüber den Griechen wußte,
nämlich, „daß außer dem, waS bei den
Griechen und unS das höchfte sein muß,
dem lebendigen VerhältniS und Gefchick,
wir nicht wohl etwas gleich mit ihnen
haben dürfen" — hätten wir das nicht
auch gegenüber Lessing wissen müssen?
Man lese Herrigels Buch, und man
wird sehen, waü unS von ihm trennt:
der unüberschreitbare Unterfchied der Ta-
geszeiten, der Lessing an einen Ort stellt,
wo gegenüber einer hybrid versachlichten
Welt der menfchliche Anteil, die sub-
Man fühle, wie sie da unten im Keller stehen, aus ihm auftauchen, das Licht
einfangen und eine Welt für sich werden: versunken und in sich besthlossen, auch
zwiegesprächhaft gestimmt mit sich und ihrer Umgebung.
Blumenfenster: Hier hat das Licht das Wort und die Macht. Wie erfüllt
es Vorhänge und Gewände, wie spielt es über den Pflanzen und Töpfen, und
welches Gekringel und Gezüngel wird darüber in den Blumen lebendig! Uber deren
meisterhafte Charakteristik hinaug ist noch erstaunlicher deren Bewegtheit, jede in
sich und zu ihrer Nachbarfchaft und zum Ganzen. Man muß hier wirklich jeder
einzelnen Form nachgehen, um ihr Sich-Winden und -Drehen, -Spreizen und -Wie-
gen, ihr Sich-Entfalten und Frohwerden ganz wahrzunehmen. Welche sonnige,
heitere Welt tut sich vor uns auf! — So meistert Lauterburg die verfchiedensten
Stimmungen.
Herbstlicher Garten: Die klare Lichte und Luftigkeit des Herbftes öurchzuckt
das spärlich werdende Laubwerk, fchafft ein helldunkel Gelocke in den Zweigen und
lebendigste Beweglichkeit. Die DarstellungSmittel hören auf, Schwarz-Weiß zu sein,
und doch ruht alle Wirkung gerade darin; der Wechsel der Töne macht das Blatt
geradezu farbig. So sehr das Ganze von impressioniftifcher Unmittelbarkeit sprüht,
ist doch alleS Gegenständliche in sich verdeutlicht und für sich verkörpert. Wieviel
Weite des RaumeS und wieviel Tiefe, wie ornamental durchflochten, wucherig reich
ift er zugleich!
Umschau
,,Das neue Denken"*
er umfassendste Name dessen, wae
Herrigel bekämpft, heißt: Jdealis-
muS, und sein Kampf geht darum, jenem
neuen Denken Naum zu fchaffen, das
sich in unseren Tagen mit quellender
Kraft gegen den „autonomen Geist" er-
hebt. Die Frage ift völlig gleichgültig,
wie weit möglicherweise dieses neue, die-
ses dynamifche und funktionelle Denken
in die Zukunft hineintragen mag: genug,
daß wir ihm im Augenblick auf keine
Weise ausbiegen können. Denn das Pro-
blem deS neuen Denkens ist uns m'cht
von außen gestellt; gerade in den Wäl-
öern unserer Einsamkeit begegnen wir
ihm, es ist mitten in unserer Brust ent-
sprungen, eS ist für den Menfchen von
heute konstitutionell. Und so sehr die
neue Denkweise sich gegen den selbst-
herrlichen Geist kehrt, so ist sie doch ge-
rade denjenigen Menfchen aufgegeben,
öie am entschiedensten unter des Geistes
Gesetz ftehen. S i e gerade dürfen m'cht
mehr „Geistige" des alten Schlages sein.
Sie gerade müssen spüren, daß eine
alte Stunde vorbei und eine neue im
* Zu Hermann Herrigels Buch, Verlag
Lambert Schneider, Berlin-Dahlem.
Beginn ist; eine Stunde, in der es
sich um die Einweltung des Geistes han-
delt, um die nüchterne Anerkennung der
realen menfchlichen Situation; eine
Stunde, in der es der Wille des Geistes
selbst ist, sich vornehmlich in seiner Stoff-
gebundenheit, in seiner Unterworfenheit
und Bezogenheit zu fühlen.
Wir haben gerade Lessing gefeiert, Les-
sing, der am Beginn deS deutfchen Jdea-
lismuS fteht und seine große Stunde
heraufführen half. Es war aber fast
erschreckend, zu sehen, wie ahnungslos
die'allermeisten Festredner und -fchrei-
ber diesen an seine Stunde gebundenen
Mann ohne weiteres in unseren Tag
glaubten herübernehmen zu können. Was
Hölderlin gegenüber den Griechen wußte,
nämlich, „daß außer dem, waS bei den
Griechen und unS das höchfte sein muß,
dem lebendigen VerhältniS und Gefchick,
wir nicht wohl etwas gleich mit ihnen
haben dürfen" — hätten wir das nicht
auch gegenüber Lessing wissen müssen?
Man lese Herrigels Buch, und man
wird sehen, waü unS von ihm trennt:
der unüberschreitbare Unterfchied der Ta-
geszeiten, der Lessing an einen Ort stellt,
wo gegenüber einer hybrid versachlichten
Welt der menfchliche Anteil, die sub-