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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 2 (Novemberheft 1928)
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Jltax B e ck m a n n
(Geb. Leipzig 12. II. 1684)

M. Beckmann begami als Jmpressiom'st,
aber schon damals — um igio — stand
ihm das Jnteresse an der Figur höher;
eine Vorliebe, die er mit den Gleichzei-
tigen wie Hettner, Hofer, Pechstein,
Caspar, Schlrmerer, Genin u. a. teilte.
Und di'es war kern bloßer Gegensatz
zur Landschast, sondern ein neues Form-
bewußtsein, eine neue Kunstgesmnung,
ja überhaupt ein neueS Lebensgefuhl, wie
es Hausenstein scharf erkannt hat. Dar-
um gingen auch Jüngere nach Mün-
chen, zu Stuck. Dessen billige Kunst
vermochte ihnen gewiß nichts Tieferes zu
bieten, aber seine formale Veranlagung
traf sich mit einer Münchener Tradition
dieser Art, die zwar selbst nicht boden-
ständig war (Cornelius, Kaulbach, Pi-
loch waren keine Münchener), doch wirk-
sam geblieben. Schwer und zäh und
rücksichtsloS rang Beckmann um das
Jdeal eines figuralen Stils. Von natura-
listischen Schlacken befreiten ihn das Stu-
dium der gotischen Malerei und der
Expressionismus, dem er nüt einer ver-
bissenen Kraft und Schärfe diente. Da-
mals nahm er auch eine seltsame Ver-
schachtelung und Derschrobenheit des
Räumlichen in seine Werke auf unö
spannte die Menschen wie i'n Folterwerk-
zenge in sie ein. Allmählich aber erstand
ihm hieraus eine klare Beziehung der
Figur zu ihrer Umgebung, ein Jnein-
anderverflochtensein beider in klaren,
starken Spannungen, bei wachsender
Vereinfachung der Farbe, die sich bis in
die jüngste Entwicklung mehr kolorie-
rend als koloristisch gab. Bei wachsenöem
Sinn für die Farbe als solche ver-
mochte sie sich aber in dem eisernen unö
eisigen Gezwänge der Form m'cht zu
lockern. Auch das ist jetzt erreicht: Beck-
mann ist zum Maler geworden, d. h.
seine Bilder sind Schöpfungen der Farbe,
der Kontur tritt zurück, große Flächen
herrschen vor, das scheinbar Summarische
ist äußerste Vereinfachung, Sublimie-
rung des Farbigen, das erstaunlich lvse
wirkt. Man darf es, muß es sagen, daß
Beckmann heute einer der interessante-
sten und bedeutendsten Maler Deutsch-
lands ist, der über das Formale hinaug

auch durch den Gehalt zu fesseln weiß,
der ebenso frei ist von dem bloß Mo-
mentanen des Jmpressionismus wie von
der gesuchten Geistigkeit und gepreßten
Seelenhaftigkeit des Erpressionismus.
Ein durchaus Eigener ist er geworden,
der mit seiner „Generativn" nichts mehr
gemei'n hat, aber auch m'chts mit der
„Neuen Sachlichkeit". Er kann dieser
vielmehr zeigen, was aus ihr zu machen
wäre, wenn ihre Derweter begabter wä-
ren, als sie zumeist sind. „M a x Beck-
mann ist der gegenwärtigste
NI aler. Die Wende, von der hente
alle reden, vollziehk sich mitten i'n seinem
Werk." (Wichert.) Man möchte drin-
gend wünschen, daß die Bayerische Staats-
galerie, trotz ihrer sehr geringen Mit-
tel, die jetzige Ausstellung benützt, um
zu heute noch erschwinglichem Preise
einen Beckmann zu erwerben. Er ge-
hört in eine moderne Sammlung von
Rang gerade mit einem dieser letzten
Werke, denen München nichts Eben-
bürtiges zur Seite stellen kann. Der
Erwerb wäre auch eine wünschenswerte
Ermunterung für das „Graphische Kabi-
nett", die einzige Münchener Kunsthanö-
lung, die uns dauernd mit den führenden
Namen der Gegenwartskunst bekannt
macht. Gerade in diesen Tagen verläßt
uns Thannhauser, womit imseren Jungen
eine weitere Duelle der Anregung und
Gelegenheit zur Ausstellung eigener
Werke verloren geht. Dem Entgegen-
kommen von G. Franke danken auch wir
die Möglichkeit, aus den 29 Arbeiten,
die er hier vereinigte, einige unseren
Lesern vorzuführen.

Während ich den frühercn Werken Beck-
manns mehr interessiert als hingerissen
gegenüberstand, bei aller Anerkennung
seiner großen Begabung immer wieder
zweifelnd, was in seiner Arbeit echt
oder nur gewollt, oft pelnlich berührk
von einem harten JntellektualiSmus und
einer fast grausamen Unerbittlichkeit in
der Menschenbehandlung, sehe jch das
jetzt anders: Beckmann mußte als starker
Erleber seiner Zeit durch das Chaos der
Kriegs- und NachkriegSerlebnisse hinöurch,
mußte die Lde, Leere und Vereinsamung
des heutigen Lebens erst überwunden
haben, um so frei und leicht zu werden,

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