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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 2 (Novemberheft 1928)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0171

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tvie er nun geworden. Wie ein Früh-
lingstauwetter ist es über seine Formen
und Farben gekornmen, hat sie aus
ihrem eisig-gläsernen Bann erlöst. Die
Menschen sind aus ihrer maschinellen
Automatik besreit uud wiederum Natur,
die Farbe ist gelockert und wechselt zwi-
schen geschmackvoller Delikatesse und
breiter Fülligkeit, ist ties und reich, er-
staunlich leuchtend im Weiß und Schwarz,
von eigener Harmonik und Melodie. —
Wie beglückend, daß wieder ein Starker
den Weg in die Freiheit der Kunst und
deö Lebens gewonnen, daß wir wieder
einen „Tänzer" haben — wie Nietzsche
sageu würde. Dieses Nene regte sich
schou um IZ22/2Z und ist im wesentlichen
um ig2Z erobert: Das Doppelbildnis
BeckmannS und sciner Frau, das er
„Karncval" benannt, hat nichts mehr
von der Berquältheit und inneren Not
früherer Darstellungen, Beckmann selbst
erscheint nicht mehr als ein Zirkusdirektor
Wedekindscher Art, er ist von rührender
Glücklichkeit, ohne daß er das Wissen
um die Hintergründe des Lebens daran-
gegcben hätte. Jn den folgenden Jahren
steigert sich auch die Produktivität.

Die Loge. Jch habe zum Bergleich das
gleichnamige Bild von Renoir (1874) aus-
gewählt,* um an diesem berühmten und
t'lassischen Werk des Jmpressionismus
desscn Art knapp bewußt zu machen und
zu zeigen, wie ganz anders das gleiche
Thema ein anderer Künstler und die
heutige Kunst gestalten. Meier-Gräfe
hat den Zauber von Renoirs Bild, das
dessen Bruder pnd ein Modell, namens

ir haben die Nachbildung oon Renoirs
„Lvge" der „Kunsi des RcaliSmuS und
sfmpressionismus im Ig. sfahrhundert" oon
Emil Waldmann (Propyläen - Lerlag,
Bcrlin) entnommen und möchten bei dieser
Gelegenheit auf daS ausgezoichnete Werk
empfehlend verweisen. Es ijt eine durchauS
selbständige, auf rcicher persönlicher Anschau-
ung bcruhendc Darstellung, die den schwierig
zu gruppierenden Stosf überstchtlich mcistert.
Jch kenne kein zwciteS Buch des gleichen Ge-
bietes, mit dem ich so oft und weikgehend ein-
verstanden sein kann wie mit diesem. Nur der
lebcndige llmgang mit den Werken sclbst und
ein stcheres Urteil in Sachcn dcr modernen
Kunst crmöglichre Waldmann diese äußerst
anregend zu lescnde Arbeit. Wer stch über
die so wichtige, an Meisterwcrken so reiche
Malerei von etwa r8zo—igoo verlässig un-

Nini, darstellt, so treffend geschildert,
daß ich mir die Mühe ei'gener Aus-
deutung sparen kann. „Wir sind in der
,Grand Monde^ des Luxus und der
Eleganz. Niemand würde in der gelas-
senen Dame, so wenig sie ihre natürliche
Liebenswürdigkeit verbirgt, den Beruf
der kleinen Nini erkennen, di'e Rcnoir da-
mals oft ohne die prächtige Hülle, wie
Gott sie gefchaffen, gemalt hat. Die
Seide kniftert, die Perlen leuchten, die
Blumen glühen, und der Partner trägt
mit Gelassenheit die orthodoxe Eleganz
deü Gentleman. Auch wenn die Be-
leuchtung und die Operngucker fehlten,
wüßte man, daß sich daS Paar im
Theater befindet, zum Ansehen und zum
Angesehenwerden. Jn der Stellung der
beiden Figuren zueinander hat Renoir
einen zufälligen Moment gewählt, aber
ihn so glücklich getroffen, daß der Zufall
nur die Sicherheit des Betrachters stei-
gert. Die Halbfiguren sind auf einen
verhältniömäßig geringen Raum zusam-
mengerückt, und die wescntliche Wirkung
mag in dem Räumlichen liegen, daS man
trotz der Enge wie eine freie Wallung
empfindet. Die fchöne Frau dehnt sich
als echte Pariserin vollkommen aus in
breiter, prächtiger Fülle, und der Herr
hinter ihr, für dessen Nebenrolle nur das
winzige Dreieck bleibt, bewegt sich unge-
hindert in der Tiefe. Sehr geschickt ist
der schräge Ausschnitt mit der Brüstung
erfunden. Jhn benutzt der Parallelismus
zwischen Brüstung, Schulter- undArm-
linie der Dame und weiter dem Arm deö
Herrn. Dazwischen laufen auf Grau

tceeilhtcn will, dee greife zu Walömann, dee
sich oon Übeeschwang und Phraseologie fern-
hält, eindringlich die Zeit, ihre besonderen
Aufgaben und Künstler wüedigt — van Gogh,
Munch und Hodler noch bedcnkcnö. Die
Auswahl dcr mehr als Hoa Bilder, darunker
vicle farbig, bildek dcn Schwerpunkt dcs
BandeS: ste ist gut gctrost'en und in der
Wicdergabe vortrest'lich. Dankenswert ist die
Einbeziehung der Graphik und Plastik, welch
letztere ich allerdings reichlicher behandclk
wünschte. Hier herrscht auch nicht dic Sicher-
heit der Bildivahl wie bei dcn Gemäldcn. Zn
Anbetracht dcr Fülle des Gebotenen ist das
Werk nicht zu teucr; eü jst nichk nur eine
geschjchtliche, auch cine sachliche Einführung
in diese Welt, die dcni Laicn noch immer zu
ferne liegt, obwohl ste selten viclseitig und
interestant ist. f^os. Popp
 
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