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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1928)
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Bach, Rudolf: Eine Deutsche Schauspielerin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0125

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Eine deutsche Schauspielerin
Von Rudolf Bach
(AnS einem Brief)

/^(ie fragen auch, lieber Freund, wer Ihuen auf Ihrer bevorsiehendeu
^—^Reise durch Deukfchland — dem Deukfchland, das so ofk iu Paris der
Gegensiand unserer Gespräche war uud vou dem Sie selbsi sich durch das
Skudium seiner reinften Ergebnisse ein ahnendes Wissen erworben haben,
das nun mik Erfahrung sich füllen soll —, wer Ihnen, genauer, welche Fran
Ihnen in der Sphäre des Schauspiels als die Verkörperung dieses inneren
wahren Deukfchlands enkgegenkreken wird. Ich habe das Glück, Ihnen einen
Namen nennen zu können, mik dem ein Höchstes umfchrieben isi: Käke Dorfch.
Ich wollke ein Bild dieser unvergleichlichen Frau beifügen, als vorbereikenden
Gruß, aber ich fand keins, das auch nur annähernd einen Begrisi' von ihr
gegeben häkke. Das Leben, das von ihr ausgehk, ist im Räksel seiner ununker-
brochenen Gegenwart im Bild nichk zu fassen, und natürlich auch Worke
können nur Einzelnes und in Umrissen andeuten. Sie müssen sehen und er-
leben, nirgends gilk dies wie hier. Ein sehr deutfcher, ja, eigentlich der deuksihe
Zusiand: Gekrennksein von selbsivergessenem Leben und ungemeiner Leisiung;
Ruhe, ja, Abwesenheik zwifchen grandiosen Auffchwüngen wird bei der Dorfck
von ihrem Frauenkum her noch bekonk und versiärkk.

Ich möchte Ihnen in solchem Zusammenhang gleich einen anderen N!amen
aufrufen, der für uns beide eine lehke Insianz des Llrkeils bedeukek, nnd
möchke mich zu sagen getrauen: der junge Goekhe häkke an der Dorfch seine
Freude gehabk. Denn sie isi, was er, der sicher und unerbiktlich Auswählende,
sieks vor allem forderke und, wo er es fand, es verehrte: eine Nakiir. Wir
gebrauchen das Work heuke selten mehr richkig, und heisien Nakur, was
Talenk isi, oder Charme, oder eine gewisse persönliche Noke. Freilich schließt
Reakur im Künsilerifchen dies und noch anderes in sich, aber darüber hinaus
ist sie ekwas Unwiederholbares, nicht zu Verwechselndes, jene geheime Fähig-
keik, alle Kräfke des Lebens, auch die enkgegengesetztesten, kief im Gleichgewicht
zu halken, wie sehr auch bedrängt vom siets ebenso siark vorhandenen furchk-
baren Wunder, jede Regung des Innern, von der leisesicn bis zur mächkigsten,
von der dunkelsien bis zur hellsten, zu äußern w i e sie entsiehk, in der crsien
Reinheik des Ursprungs, ohne den Schakken einer vermikkelnden Dämpfung,
und sie zugleich vollkommen zu äußern.

Es isi sehr fchade, daß Sie nichk schon im vergangenen Winker hier gewesen
sind, denn da häkken Sie dies an einer Leisiung der Dorfch in voller
Gewalk zu erleben vermochk. Die Dorfch spielke zum ersienmal die „Rose
Bernd", jenes fchöne, selksame Werk, dessen dichkerifcher Gehalk aber bei
so vielen Ausführungen gleichsam in sich selber hinabsinkk und wo dann nichts
bleibk als ein siarkes Milieustück, ins Trostlose mündend. Rkie hakke dieses
Dichkerifche, besonders im letzken Akk, geglänzk wie in der Darstellung der
Dorfch, nie sich als so wahrhafk herrfchend erwiesen. Die Naederkunfkssiunde
der armen Rose wurde eine Welkgeburtsstunde, in der die Menfchen voll
llnruhe umhergingen, wie Tiere vor einem Erdbeben, verworren und ahnungs-
voll in ihrer Lttial, hinker der sich das Neue anbahnke. Die Dorfch gab an

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