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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 4 (Januarheft 1929)
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Zu unsere Bildern und Noten
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Zu unserer Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0336

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Frieden und gesetziiche Mit-
tel w i I l", und auch heute nicht vhne
Jnteresse. Es ist eine Satire aus den
„Schwäbischen Kurier" und das politisch
uninteressierte Bürgertum in Schlafrock
und warmen Filzschuhen, in selbstzufrie-
dener Beschränktheit ohne Ahnung, nm
was es geht. An die endlosen nnd zum Teil
endlos öden Reden des Frankfurter
Parlamentes erinnert ein einzelnes
Blatt, dessen Stärke der marionetten-
haft leblose^ kalte und nüchterne Redner
ist; wie ein Riesengespenst taucht er auS
dem Pult auf, und schon bevor er redet,
erregt er allgemeine Flncht. Nur das
Präsidium bleibt davon unberührt, weil
es vorher schon eingeschlafen.

Um wieviel schärfer, boshafter und rück-
sichtslvser ist die heutige Satire; aber
auch künstlerisch ist sie oft stärker! Die
Zeiten wandeln sich und wir uns mit
ihnen.

r^nsere Musikbeilage ist den vier Lie-
^dern op. 10 von Theodor Haus-
mann entnommen, die bei C. F. Kahnt
in Leipzig crschienen sind. Man kann das
Format eines Musikers sehr untrüglich
daran erkennen, wie er sich mit den Ge-
dichten Hertha FedermannS aus-
einandersetzt. Diese reifen, schweren Verse
sind in fich so erfüllt und vollendet, daß
fie fcheinbar dem Komponisten nichts
mehr zu sagen übrig lassen. HausmannS
große nnd weite Jntuition belehrt uns

eines Besseren. Man sehe nur zu, welch
organisches Gebilde er aus der Keimzelle
eines schlichten, eindrucksvoll symboli-
schen Motivs auf- und absteigender Se-
kundschreite wachsen läßt. (Der Schritt
dis-fis vom ersten zum zweiten Takt
zählt hier nicht; er ist ein „totes" Jn-
tervall, weil die Zäsur ausnahmsweise
mit dem Taktstrich zusammenfällt; das-
selbe gilt für die analvgen späteren Fälle,
wie in Takt 8 auf g und Takt 12 auf
iz.) Mit welcher Strenge und Freiheit
hält er nach dem Eintritt des vierteiligen
MetrumS an den Seknndschritten fest!
Man beachte daraufhin die sprechenden
Bässe und Mittelstimmen! Und das alles
ist so unwillkürlich, so ohne jede Grü-
belei gemacht, daß es vielen Musikern
überhaupt erst ausfällt, wenn man es
ihnen vordemonstriert. Welche Aus-
druckskraft liegt in dem zweimaligen
Taktwechsel! Wie zwingend ist mit dem
Eintritt der vier Viertel daS Schreiten
und labyrinthische Geführtwerden ge-
malt, bis mit der Rückkehr zum Dreivier-
teltakt der Fuß zu stocken scheint und das
beglückte, staunende Ahnen des einstigen
Novizen für den Vollendeten Erfüllung
wird! Die vier Lieder HauSmannS seien
allen Musikern warm empfohlen, nicht
minder seine Sonate für Violine und
Klavier und sein besonderS feineS Streich-
quartett, die gleichfalls bei Kahnt in
Leipzig erfchicnen sind.

Aleyander Berrsche

Zu unserer Umfrage

1 haben im Oktober eine Reihe von Fragen an unsere Leser gerichtet; zu

den inzwischen eingegangenen Antworten, soweit sie von allgemeinerem
(ZNtercsse sind, soll im folgenden Stellung genommen werden. Unsere Bewcggründe
sind in einem Begleitschreiben dargelegt und brauchen nicht wiederholt zu werden.
Nicht daß wir befürchtet hätten, man traue uns einen jener schon zu einer Landplage
gewordenen Werbefeldzüge zu, von öenen man nicht weiß, ob man sich mehr über
die Unbelehrbarkeit und den Unverstand des genasführten PublikumS wundern soll
oder über die Unbedenklichkeit, mit der die HerauSforderung zur Kritik und die
fcheinbare Unterwerfung unter die Meinung von Hinz und Kunz den Zwecken des
heiligen Kapitals dienstbar gemacht ist. Der Kunstwart ist nicht in der Lage,
Stimmzettel über eine Sommerausstellung einznsammeln, wie es beispielshalber eine
ob ihrer Tüchtigkeit viel beschriene Jllustrierte zu ihrem Glück unternahm. Denn
richtige Entscheidungen — und gar über Kunstwerke — können auf dem Abstimmungs-
wege nicht erlangt werden, noch ist mit derartigen Kniffen der allgemeinen Sturheit
und Unempfindlichkeit gegen geistige Dinge abzuhelfen (was immerhin findige Ver-
anstalter vorgeben könnten). Die eifrige Beteiligung an solchem Unfug beweisi aller-
dingS, daß man auf den Gimpel im Publikum allezeit rechnen und mit Erfolg spekulie-

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