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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1928)
DOI Artikel:
Berrsche, Alexander: Ein Gespräch zum Schubert-Gedenktag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0106

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XXXXII.5LLK6LN6

Em Gespräch zum Schubert-Gedenktag

Von Alexander Berrsche

/s^>re müssen N!achsichL mik mir haben, lreber Freund," sagke der Mnsrker,
^—^„ich bin heute ein miscrabler Gesellschafker. Diese Gedächknisseicrn, Ge-
dächknisreden, GedächknisarLikel, die Ihrer Schuberkverehrung wohlknn, fallen
mir aus die Nerven. Skecken Sie Ihren ArLikel ruhig wieder ein. Ich bin
überzeugk, daß er guk ist. 2lber ich lehne ihn ab, weil er ein Arkikel isi.
Arkikel über Schuberk, ArLikel über Goekhe, ArLikel über den blauen Himmel,
ArLikel über den lieben Gokk, so lcben wir alle Tage! Wie gräßlich war mir
das immer! Und nun denken Sie sich: ich selber bin im Begriss, auch so cinen
SchuberkarLikel zu schreiben. Jn einer unwahrscheinlich schwachen Skunde habe
ich es versprochen."

Er saß aus seinem SkammplaH an der braungekäfelken Wand, gerade unker
der holzgeschnitzken Mukkergokkes aus dem vierzehnken Iahrhunderk, und blickke
dem neu Angekommenen mißmukig ins Gesichk. „Und außerdem schmeckk der
Forsier Sechsmorgen nach dem Kork," fügke cr hinzu.

„Das isi freilich ein schwerer Fall," meinke dcr andere lächelnd, „abcr lassen
Sre doch einmal sehen: nein, nach dem Kork schmeckk er wirklich nicht. Wenn
es Sie nichk siörk, halke ich mik."

„Einversianden, Sie siören mich gar nichk. Aber nach dem Kork schmeckk er
kroHdem."

„Sagen Sie mir doch," hnb der Freund nach einer Weile an und nahm dem
Kellner das srische Glas ab, „warum schreiben Sie eigenklich den Schuberk-
arkikel so ungern? Der isi doch eigenklich das gegebene Thema für Sie."

„Ia, mein Lieber, das sagk sich nichk so leichk. Ersiens isi mir, wie Sie wissen,
die ganze Gedenkrederci und -schreiberei zuwider. Wenn einer nur Iubiläum
sagt, sehe ich schon alle osiiziellen Zylinderhüte beisammen, höre alle Fesi-
rednerphrasen, und es packk mich der ganze Iammer unseres heutigen Kulkur-
bekriebs. Kommt irgcndwas von diesem Klimbim aus innerer Motwendigkeik?
Nein, das alles wird nur gemachk, weil es einen Kalender gibk. Gewisse Ge-
denktage wiederholen sich gclegenklich zum hunderksien-, hundertfünfzigsien-
und zwcihunderksienmal. Das läßk sich bei der weiken Verbreikung des Ka-
lenders nichk unkerdrücken, und so kommen sie alle gelaufen und rufen: „Denn
er war unser!" Nümlich der Herrn Festredner und der küchkigen Geschäfks-
leuke, die jeHL in Wien und anderswo Würsie und Krapfen nach Schuberk
benennen. Übrigens hak kürzlich ein feierliches Schuberkgewichtheben und
-ringen siaktgefunden. Wie die Prej se meldet, waren die SpiHen der Behörden
zugegen. Und wie siehk's mik unserer lebendigen Schuberkpflege aus? Dic
meisien DirigenLen können mik Schuberk nichk mehr viel anfangen. Sie sind

Novemberheft 1928 (XXXXII, 2)

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