besteht darin, dies zu sein. Ungeschmack und Tradition, Kleinbürgerei und
Lurus kämpfen dagegen vergebens. Auch das Einzelstück, das Kunstwerk steht
allein gegen diese Tendenz. (Dies eben Lrennt Kunst und Technik, Kunst und
Volksleben.) Hier liegen auch Problem und Tragik des Handwerks, daß es
Luxustechnik wird sür die „lmpp)-kovv", weil die übrigen immer mehr das nor-
mierte Serienstück kaufen müssen. (Dies eben Lrennt Handwerk und Technik,
Handwerk und Volksleben.) Die einfache neue Schönheit lernen wir im
Material, in Form und Linie wieder schähen, im amor vscui. Es ist eine
neue Sehlehre, die sich hier bewährt, eine neue Kultur, die Rhythmus und
Kadenz, Körperform und Prosil, organische Formensprache und aus dieser
Form gewachsene Veredelung des Glases sehen und lieben kann. Diese
Edelarmut bedars des Menschen mehr als bisher, des Schassenden und
Schauenden. Sie bedarf der Erziehung wie der Sprache, der Pflege wie der
Kritik. Es ist noch vieles faul im Staake Glas! Doch ist ein handwerkliches
Besinnen nicht zu erkennen, und Hilfe wie Lehre tun das ihrige auch. Die
bewährten Ausstellungen des Leipziger Grassi-Museums, die populären Wan-
derausstellungen der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Handwerkskultur, die
Werkbundausstellungen, die Kunstgewerbeausstellungen in Monza, Paris,
München, die Deutschen Werkstätten, die anregende Rkeue Sammlung in
München u. a., all das stärkt Sinn und Gesühl sür die neue Form. Durch
das Licht- und Reklamewesen hat das Tafel- und Spiegelglas eine neue
Epoche. Auch als Banstosf wird es bedeutsam, und Scheerbarts alte Phan-
tasien von Glashäusern und Glasstädten sind keine leeren Träume. Wir
erleben eine monumentale Glasform, wie sie dem Wohn- und Ingenieur-
bau entspricht. Diese monumentale Bewegnng wirkt im kleinen wie im
großen, im Hohl- wie im Tafelglas, und es isk nur eine Frage der Zeit,
daß der Wcrkstoff Glas eine neue architektonische und ornamentale Formen-
sprache schaffk, die in Lichk und Farbe neue, edle Hilfsmittel sindet. Das
Glas kann zum Erzieher zur neuen Form werden, wenn wir sein Wesen
nicht verfälschcn und ihm seine reinc Formensprache lassen. Hier liegen Hoff-
nung und Ziel. Dann wird aber auch das alte Lob des Glasmachers — das
Abraham a Santa Clara auf so seltsame und wihige Weise gesungen hat —
wieder laut und lebendig unter uns geltcn!
II.
Glas ist nicht nur, wie der Sänger sagk, der Erde Stolz und Glück, sondern
auch der leicht-sinnigste, wandelbarste Werkstoff menschlicher Erfindung, das
empsindlichste Kunstelemenk, das in des Künstlers Hand wie „geballtes Was-
ser" Form und Gebild wird. Seine Geschichte gehört zur Kulkurgeschichtc
des Menschen, so lange begleitek es schon treulich die menschlichen Zwecke und
bewahrt dienend und schühend Wert und Würde. Erforscht man nun seine
Formenwelk, so erkennt man in allcn seinen Arten und Bildungen ein eigenes
Recht und Geseh, das sich doch schwer in Worte bringen läßk. Wie ja
jedes Material als Masse sein Materialgeseh hat, das sich ehren und ver-
lehen läßt, so gibk es auch etwas wie ein Glasgeseh, einen Glas-
charakter oder Glasstil. Will man aber diesen Glasstil festlegen und er-
klären, so ist man sehr bald in Verlegenheit und bemerkt, daß Forderungen
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Lurus kämpfen dagegen vergebens. Auch das Einzelstück, das Kunstwerk steht
allein gegen diese Tendenz. (Dies eben Lrennt Kunst und Technik, Kunst und
Volksleben.) Hier liegen auch Problem und Tragik des Handwerks, daß es
Luxustechnik wird sür die „lmpp)-kovv", weil die übrigen immer mehr das nor-
mierte Serienstück kaufen müssen. (Dies eben Lrennt Handwerk und Technik,
Handwerk und Volksleben.) Die einfache neue Schönheit lernen wir im
Material, in Form und Linie wieder schähen, im amor vscui. Es ist eine
neue Sehlehre, die sich hier bewährt, eine neue Kultur, die Rhythmus und
Kadenz, Körperform und Prosil, organische Formensprache und aus dieser
Form gewachsene Veredelung des Glases sehen und lieben kann. Diese
Edelarmut bedars des Menschen mehr als bisher, des Schassenden und
Schauenden. Sie bedarf der Erziehung wie der Sprache, der Pflege wie der
Kritik. Es ist noch vieles faul im Staake Glas! Doch ist ein handwerkliches
Besinnen nicht zu erkennen, und Hilfe wie Lehre tun das ihrige auch. Die
bewährten Ausstellungen des Leipziger Grassi-Museums, die populären Wan-
derausstellungen der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Handwerkskultur, die
Werkbundausstellungen, die Kunstgewerbeausstellungen in Monza, Paris,
München, die Deutschen Werkstätten, die anregende Rkeue Sammlung in
München u. a., all das stärkt Sinn und Gesühl sür die neue Form. Durch
das Licht- und Reklamewesen hat das Tafel- und Spiegelglas eine neue
Epoche. Auch als Banstosf wird es bedeutsam, und Scheerbarts alte Phan-
tasien von Glashäusern und Glasstädten sind keine leeren Träume. Wir
erleben eine monumentale Glasform, wie sie dem Wohn- und Ingenieur-
bau entspricht. Diese monumentale Bewegnng wirkt im kleinen wie im
großen, im Hohl- wie im Tafelglas, und es isk nur eine Frage der Zeit,
daß der Wcrkstoff Glas eine neue architektonische und ornamentale Formen-
sprache schaffk, die in Lichk und Farbe neue, edle Hilfsmittel sindet. Das
Glas kann zum Erzieher zur neuen Form werden, wenn wir sein Wesen
nicht verfälschcn und ihm seine reinc Formensprache lassen. Hier liegen Hoff-
nung und Ziel. Dann wird aber auch das alte Lob des Glasmachers — das
Abraham a Santa Clara auf so seltsame und wihige Weise gesungen hat —
wieder laut und lebendig unter uns geltcn!
II.
Glas ist nicht nur, wie der Sänger sagk, der Erde Stolz und Glück, sondern
auch der leicht-sinnigste, wandelbarste Werkstoff menschlicher Erfindung, das
empsindlichste Kunstelemenk, das in des Künstlers Hand wie „geballtes Was-
ser" Form und Gebild wird. Seine Geschichte gehört zur Kulkurgeschichtc
des Menschen, so lange begleitek es schon treulich die menschlichen Zwecke und
bewahrt dienend und schühend Wert und Würde. Erforscht man nun seine
Formenwelk, so erkennt man in allcn seinen Arten und Bildungen ein eigenes
Recht und Geseh, das sich doch schwer in Worte bringen läßk. Wie ja
jedes Material als Masse sein Materialgeseh hat, das sich ehren und ver-
lehen läßt, so gibk es auch etwas wie ein Glasgeseh, einen Glas-
charakter oder Glasstil. Will man aber diesen Glasstil festlegen und er-
klären, so ist man sehr bald in Verlegenheit und bemerkt, daß Forderungen
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