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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 1 (Oktoberheft 1928)
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Der Refraktär und sein Wort
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Junge, jüngste und andere Deutsche
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0052

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ist es Ball nicht versagt geblicben, znm Schlusse näher an die Bereiche
des Lebenszentrums heranzudringen. 2lber noch dieser Lösung haftet — rvir
haben es bisher schon gesehen — der Grunddesekt seiner Existenz an. Es ist
unzweiselhast das „Leben", vor dem er sich beugt, wenn er sich vor Gvtt
und der Kirche beugt. Aber selbst diese Lösung kann er nur durch die letzte
seiner Desertionen, dnrch Flucht aus der Zeit vollziehen; womit er ausspricht,
daß das, was er vom Göttlichen sieht, mit der „Zeit" nichts zu tun hat.
Mag diese Lösung „geistlich" möglich und genügend sein: wir können keine
Lösung als im vollen Sinne menschenwürdig ansprechen, die Gott nicht
auch als den Herrn dcr „Zeit" oder die „Zeit" nicht auch
als legitim, ausgegeben und zum Felde des Lebens gehörig anzuer-
kcnncn lveiß.

So sehen wir also diesen ewigen Flüchtling in der Reihe der großen Gegen-
beispiele stehen, wertvoll als Leidende, werkvoll als Widerleger und Entlarver
des Ilneigentlichen, in dessen Bezirken sich jeder grundsätzliche 2lusbrecher ver-
fängt. Melleicht müssen wir Büchern wie diesem Buche Balls die wichtige
Leistung zugestehen, daß sie die Fühlung mit den Mächten und den Erschei-
nungen des 2lbgrunds wahren, auch mit den Menschen, die zum lkneigent-
lichen versucht sind. Bci Hölderlin stehk der Gedanke, daß die Götter der
Menschen zur Durchwirkung der Welt bedürfen, weil „die Sterblichen eh'
(d. h. besser, leichter, häufiger) in den 2lbgrund reichen". Jch möchte am
Ende Balls Buch am licbsten begreisen als eine der Hände, die das Leben
in die am meisten gefährdeten Bezirke hinabreicht. Bei solchen Büchern isi
auf der einen Seite die echte 2lnhaftung an das tiefste Zrren gegeben, anf
der anderen Seite lebt aber in ihnen auch das Hindurchführende und Her-
ansführende; und so bieten sie eine besondere Gewähr, daß von ihnen auch sehr
Widerstrebendes und Verlaufenes noch erfaßt werden rann.

Junge, suugsie und anbere Deuksche

Von Paul 2llverdes

I.

ie Rede Heinrich Wölfflins, mit der er sich von seinem Münchner

''*^2luditorium verabschiedeke, um in die Schweiz heimzukehren, ist nnver-
geßlich. Er wisse selbst nichk, sagke er mit schöner Laune, ob ihn das Betrach-
ten und Darstellen von Werken der bildenden Kunst noch lange vergnüge.
Beispielsweise könne es ihm plötzlich gefallen, in Zürich cinen Roman zu
schreiben. Doch schnitt er die Heiterkeit seincr Zuhörer mit einer seiner rütteln-
den Handbewegungen plötzlich ab. Es sei Zeit, daß er hier aötrete, rief er
mit erhobener Stimme. Das Zcitalter habe sich gewaltig veränderk, nun
hätten andere das Wort, Verwandelte — und das sei in der Ordnung so —
diejcnigen, sagte er, die selber „bei allem dabeigewesen" seien, die selber „alles
mitgemacht hätten".

II.

Wer sich mit einer Reihe von epischen Hervorbringungen der sogenannten
jungen und jüngsten Generation befaßk in der 2lbsichk, die Stimmen nnd
Stimmchen endlich einmal selber zn hören, die von so vielen und so nner-

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