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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 1 (Oktoberheft 1928)
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Alverdes, Paul: Junge, jüngste und andere Deutsche
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0063

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Mochke sich gegen dres und jenes im „Zwerg" einiges einwenden lassen, mochte
hier und da noch das nur Skurrile dic Obcrhand haben, so sind nun im „2lrmen
Chatterton" die Schlacken ganz ausgeschmolzen und die deuLsche Dichtung isk
mit ihm um ein reines Gebilde aus reiner Poesie reicher geworden, das ihren
Verfasser in die unmiLLelbare NachbarschasL der Allerbesten unLer den Lebendi-
gen rückL. Die DichLc der GestalLen und ihrer LandschasL haL nur zugenommen,
cs ist kein WorL und keine AnLworL, kein Traum und kein Handeln, kein Lächeln
und keine Träne ohne einen heimlichen und Liesen Bezug auf das Ganze. Alles
lebL und empfindeL, die SLeine, die LufL vor der zerbrochenen Brücke, unbewachLe
Gcdanken nehmen die GestalL ihres Denkers an und erscheinen in sremdcm
Traum. Es ist die Sprache, die das bewirkL, sie ist kühner, freicr geworden
und ihrer verzaubernden KrafL inniger bewußL; so gelingL das LehLe: eine wirk-
liche GestalL wird beschworen, er lebL, Thomas ChaLLerLon, wir kennen ihn jeht,
er ist aus lauLer Poesie gemachL und so wird er ein langes Leben haben.

Es ist nicht möglich, an dieser Stelle aus die Fabel, die auf einem wirklichen
vorgelebten Leben beruht, des Nüheren einzugehen, unmöglich, von dem Lragi-
schen Humor, der HeiLerkeiL und Todesnähe, von der Anmut nnd dem Tiefsinn,
dem dichterischen NcichLum dieser Erzählung eine dcutlichere Borstellnng zu
geben.

Aber stellt man, um zum AusgangspunkL unserer Darstellung zurückzukehren,
noch einmal die Frage nach dem Zeitalter, so wird man sagen dürfen, daß es
hier durch die FreiheiL und SelbstherrlichkeiL der poetischen GestalLnng über-
wmiden worden ist. NichL indem es verleugnet, sondern indem es aufgenommen
wurde. Denn niemand lebt außer seiner Zeit, der Dichter am wenigsten. Und
so mag sich hier die MachL der Ereignisse und die Macht der Erfahrungen,
die zu bestehen waren — nenne man sie guL oder böse, es ist hier gleich —,
verwandelL haben in lauker Macht der Empsindung. Man wünschL allen,
„die selber dabei gewesen sind", wenn sie nun das WorL haben, so viel Kraft
der Berwandlung.

Lose BläLLer

Zwei Kapitel aus „Iupp Brand"

Von OtLo Brües
Bekenntnis

2. Dezember 1918 wälzte sich die NachhuL des geschlagenen Heeres
^^über den Rhein.

UnLer dem Dunkel der sünften Morgenstunde bis ins erwachte LichL schüLLerLe
die Brückenrampe unter den knirschenden Karren des Trosses, den Kanonen der
ArLilleriebrigade. Auf jedem Wagcn saß cin Mann und hielt eine Fackel;
so stand ein gespenstisch rubinener Schein über der bewegten Masse. MiL gleich-
mäßig nickenden Köpfen, aber stumpfen Lluges klapperken die Pferde dahin; wo
eins niederbrach, kappten eifrige Hände die Zugstränge, schleppken das Tier aus
der Fahrbahn, ein Schuß knallte hell, und die Fahrt ging weiter. Deichseln
knirschten, Achsen ächzten, und wenn ein Karren in den Lichtkreis einer Bogen-
lampe kam, sah man die schmuhigen Spuren wochenlangen, ununterbrochenen

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