ständig neuarti'g aufzurichten. Aber das kann und muß mit Ehrfurcht vor den be-
nachbarten städtebaulichen Zusammenhängen geschehen, die mit ihren hohen Werken
und mit schlichten, brauchbaren Wohnnngen in alten, soliden Bauten noch lebendig
zur Gegenroart gehören können. Das rechte Maß für die Anderungen, der rechte
Takt für Art und Form deS neu zu Schaffenden, die rechten Kräfte rverden die
richtigen Wege finden lassen.
Man hat dem Verkehr zuliebe auf der einen Seite schmaler, alter Straßen neue,
zurückgesetzte „Fluchtlinien" eingeführt, man hat die schönen, den Straßenraum oft
so wundervoll abschließenden Stadttore als Verkehrshindernisse umgerissen, oder
für den Verkehr zu ihren beiden Seiten Lücken aufgerissen. Jn ihrer Isoliertheit
wirken sic dann wie Fremdkörper oder lächerliche Überbleibsel einer Zeit, mit der
man nichts mehr zu tun hat, und die neuen Fluchtlinien helfen vft auch nicht viel.
Man ist neuerdingS sehr viel weiser geworden. Als „Einbahnstraßen" genügen
viele Straßen wieder durchaus, vhne daß der Verkehr große Umwege zu machen
hat, die Stadttore erweisen sich mit einemmal als ausgezeichnete „Derkehrsordner",
im Notfall wurde ihr Durchlaß verbreitert oder verdoppelt. Der Schnell- und
Ducchgangs-Wagenverkehr wird mit geringen Zeitopfern für die Fahrer um alte
wertvolle Quartiere herumgelegt. Nürnberg und Frankfurt a. M. führen das
zurzeit durch, Danzig kann auf diese Weise seine wundervolle Altstadt entlasten und
swaßauf, straßab erhalken. München geht darin voran, auch die VerkehrSaußen-
straßen die schönen Nachbarorte, Dörfer und Kleinstädte, nur am Rand streifen zu
lassen; der Verkehr selbst wird dadurch einfacher und weitaus sicherer. Dieses takt-
volle Vorgehen dem guten Alten zuliebe kommt ja dem Derkehr selbst zugute. Denn
hätten die Fremden noch Lust, jahraus, jahrein Nürnberg, Dinkelsbühl, die Main-
städtchen und viele ähnliche aufzusuchen, wenn diese, ihres HeimatwerteS entkleidet, zu
Allerweltsstädtchen nach dem Schema F herabgesunken wären?
Überhaupt müssen wir lernen, nicht alles mit den Augen des in seine Arbeitslask
und ein unmenschliches Übertempo gepreßten Großstädters anzusehen, der am Alltag
nicht mehr die Frische aufbringt, von seiner Zeitung überhaupt noch die Augen auf
daö Architekturbild der Straßen aufzuheben, der leidenschaftlich und unverdaut die
schwere Kost aller technischen Neuerungen in sich hineinfrißt und leicht nur dort
noch Fortschritt sieht, wo alles rennt, alles neu und „nie dagewesen" ist, wo Reklame
der Schilder, der Lichter und des Menschengelichters sich überschreien. Wenn man
nicht nur in D-Zügen zu Geschäften und Vergnügungen in Großstädte reist, nicht
nnr die Landswaßen im Anko abrast, sondern auch einmal an einer Bummelzug-
stativn aussteigt oder, -zo Meter abseits von der Chaussee, Dorf oder Kleinstadt
bctritt, sieht man schnell überrascht ein, daß — mit vollem Recht — hier und dort
tausendfach nvch ein stilles Tempo, Besinnlichkeit, geruhige Daseinsfreude, Hand-
werk, Abendfrieden, gesunde Nerven am Leben sind. Das ist nicht ein Stehen-
gebliebensein abseits von der heutigen Welt, gar Rückschritt, sondern Ursprungs- und
Nährboden für zukünftige Kräfte, der anch den entwnrzelten 2lllerweltsmenschen
frenndlich und fest an sich zieht. Hier haben Eisenbeton- und GlaSarchitek-
tur nichts zu suchen, hier brauchen Enge und Dürftigkeit der Behausung noch
nicht unsozial zu sein, hier wächst noch die Natur sozusagen in die Fenster hinein,
und hier wird im einzelnen und in kleinen Gemeinschaften nach bewährten Regeln
mindestenö ebensoviel geschasft wie anderwärts mit Bandverfahren und Drgani-
sationS-Riesenapparat, nur eben menschlicher. Und das wird vielfach noch lange so
bleiben dürfen, gottlob.
Jmmer mehr scheint neuerdings, gerade auf dem Gebiet der Baukunst, dem wohl
sichtbarsten Zeichen für Kultur nnd Zivilisation, ein klaffender und auf den ersten
Blick unüberbrückbarer Spalt sich aufzutun zwischen denen, die das gute Neue aus
dem allmählich Gewordenen sinnentsprechend ableiten wollen, gerade auch dem
nachbarten städtebaulichen Zusammenhängen geschehen, die mit ihren hohen Werken
und mit schlichten, brauchbaren Wohnnngen in alten, soliden Bauten noch lebendig
zur Gegenroart gehören können. Das rechte Maß für die Anderungen, der rechte
Takt für Art und Form deS neu zu Schaffenden, die rechten Kräfte rverden die
richtigen Wege finden lassen.
Man hat dem Verkehr zuliebe auf der einen Seite schmaler, alter Straßen neue,
zurückgesetzte „Fluchtlinien" eingeführt, man hat die schönen, den Straßenraum oft
so wundervoll abschließenden Stadttore als Verkehrshindernisse umgerissen, oder
für den Verkehr zu ihren beiden Seiten Lücken aufgerissen. Jn ihrer Isoliertheit
wirken sic dann wie Fremdkörper oder lächerliche Überbleibsel einer Zeit, mit der
man nichts mehr zu tun hat, und die neuen Fluchtlinien helfen vft auch nicht viel.
Man ist neuerdingS sehr viel weiser geworden. Als „Einbahnstraßen" genügen
viele Straßen wieder durchaus, vhne daß der Verkehr große Umwege zu machen
hat, die Stadttore erweisen sich mit einemmal als ausgezeichnete „Derkehrsordner",
im Notfall wurde ihr Durchlaß verbreitert oder verdoppelt. Der Schnell- und
Ducchgangs-Wagenverkehr wird mit geringen Zeitopfern für die Fahrer um alte
wertvolle Quartiere herumgelegt. Nürnberg und Frankfurt a. M. führen das
zurzeit durch, Danzig kann auf diese Weise seine wundervolle Altstadt entlasten und
swaßauf, straßab erhalken. München geht darin voran, auch die VerkehrSaußen-
straßen die schönen Nachbarorte, Dörfer und Kleinstädte, nur am Rand streifen zu
lassen; der Verkehr selbst wird dadurch einfacher und weitaus sicherer. Dieses takt-
volle Vorgehen dem guten Alten zuliebe kommt ja dem Derkehr selbst zugute. Denn
hätten die Fremden noch Lust, jahraus, jahrein Nürnberg, Dinkelsbühl, die Main-
städtchen und viele ähnliche aufzusuchen, wenn diese, ihres HeimatwerteS entkleidet, zu
Allerweltsstädtchen nach dem Schema F herabgesunken wären?
Überhaupt müssen wir lernen, nicht alles mit den Augen des in seine Arbeitslask
und ein unmenschliches Übertempo gepreßten Großstädters anzusehen, der am Alltag
nicht mehr die Frische aufbringt, von seiner Zeitung überhaupt noch die Augen auf
daö Architekturbild der Straßen aufzuheben, der leidenschaftlich und unverdaut die
schwere Kost aller technischen Neuerungen in sich hineinfrißt und leicht nur dort
noch Fortschritt sieht, wo alles rennt, alles neu und „nie dagewesen" ist, wo Reklame
der Schilder, der Lichter und des Menschengelichters sich überschreien. Wenn man
nicht nur in D-Zügen zu Geschäften und Vergnügungen in Großstädte reist, nicht
nnr die Landswaßen im Anko abrast, sondern auch einmal an einer Bummelzug-
stativn aussteigt oder, -zo Meter abseits von der Chaussee, Dorf oder Kleinstadt
bctritt, sieht man schnell überrascht ein, daß — mit vollem Recht — hier und dort
tausendfach nvch ein stilles Tempo, Besinnlichkeit, geruhige Daseinsfreude, Hand-
werk, Abendfrieden, gesunde Nerven am Leben sind. Das ist nicht ein Stehen-
gebliebensein abseits von der heutigen Welt, gar Rückschritt, sondern Ursprungs- und
Nährboden für zukünftige Kräfte, der anch den entwnrzelten 2lllerweltsmenschen
frenndlich und fest an sich zieht. Hier haben Eisenbeton- und GlaSarchitek-
tur nichts zu suchen, hier brauchen Enge und Dürftigkeit der Behausung noch
nicht unsozial zu sein, hier wächst noch die Natur sozusagen in die Fenster hinein,
und hier wird im einzelnen und in kleinen Gemeinschaften nach bewährten Regeln
mindestenö ebensoviel geschasft wie anderwärts mit Bandverfahren und Drgani-
sationS-Riesenapparat, nur eben menschlicher. Und das wird vielfach noch lange so
bleiben dürfen, gottlob.
Jmmer mehr scheint neuerdings, gerade auf dem Gebiet der Baukunst, dem wohl
sichtbarsten Zeichen für Kultur nnd Zivilisation, ein klaffender und auf den ersten
Blick unüberbrückbarer Spalt sich aufzutun zwischen denen, die das gute Neue aus
dem allmählich Gewordenen sinnentsprechend ableiten wollen, gerade auch dem